Kettenwachs oder Kettenöl – Inhalt
Warum denn nicht einfach beim Öl bleiben?
Kettenöl hat sich doch bewährt und funktioniert gut – oder etwa nicht? Trotzdem bist du ja anscheinend auf der Suche nach einer Alternative und stellst dir die Frage: Kettenwachs oder Kettenöl? Vielleicht nervt dich einfach, dass deine Kette ständig „versifft“ aussieht? Dass du immer schwarze Ölstreifen an deinen Beinen hast? Dass du nach jeder Fahrt im Dreck deinen Antrieb pflegen musst? Oder bist du RennfahrerIn und erhoffst dir noch mehr Effizienz von deinem Antrieb? Was auch immer dein Grund ist: Es gibt einige Argumente, die für den Wechsel zu Kettenwachs sprechen. Kettenwachs soll super sauber sein. Kettenwachs soll den Verschleiß mindern. Kettenwachs soll sogar mehr Leistung aus deinem Antrieb herausholen. Und last but not least soll Kettenwachs umweltfreundlicher sein, als Kettenöl. Aber stimmt das alles wirklich? Wir haben die einzelnen Punkte mal auf den Prüfstand gestellt und selber ausprobiert, wie die Umrüstung auf Kettenwachs funktioniert.
Behauptung 1: Kettenwachs ist sauberer als Öl
Der Grund dafür ist gut nachvollziehbar. Kettenöl ist relativ zäh und „klebrig“. Es haftet an der gesamten Kette an, auch außen. Somit bindet es alles, was mit der Kette in Berührung kommt. Im Sommer zieht es Staub magisch an, im Winter ist es der Matsch. Alles zusammen ergibt irgendwann eine klebrige schwarze Masse, die du garantiert kennst. Der Antrieb sollte spätestens dann gereinigt und neu geölt werden.
Mit Kettenwachs verhält es sich anders. Wachs ist ein „Trockenschmierstoff“, der bei normalen Temperaturen relativ fest ist und nicht klebt. Im Prinzip fühlt sich das an wie kaltes Kerzenwachs, an dem ja auch nichts anhaftet. Dazu kommt, dass das Wachs durch die spezielle Anwendung im heißen Wachsbad tief ins Innere der Kette eindringt und sie genau dort schmiert, wo der Verschleiß stattfindet. Nach einer kurzen Einrollphase ist die Kette außen quasi blank. Hier klebt nichts, hier haftet also auch nichts an – zumindest in der Theorie. Wir haben das ausprobiert und können bisher bestätigen: Das funktioniert. Und das ist ein cooler Punkt auf der Pro-Liste für Kettenwachs: Selbst bei miesem Schlammwetter bleibt die Kette sauber. Wir machen nach jeder Fahrt den Fingertest und sind jedes Mal begeistert!
Kleines „Manko“ bei der Sache: Dadurch, dass die Kette nur „innen“ konserviert wird, ist sie außen insbesondere der Feuchtigkeit relativ schutzlos „ausgeliefert“. Dadurch bildet sich schnell Flugrost. Das ist im Grunde nicht weiter schlimm – der Rost verschwindet schnell wieder, sobald du in die Pedale trittst. Ideal ist es aber auch nicht – zumindest dann nicht, wenn das regelmäßig so ist. Deshalb solltest du dein Bike in einem trockenen Raum abstellen und die Kette nach einer Regenfahrt kurz trocken abwischen. Wenn du dein Rad zum Beispiel fürs Commuting nutzt und dein Bike regelmäßig den Tag über draußen im Regen stehen muss, ist Kettenwachs vielleicht nicht das ideale Schmiermittel für dich. Die Frage ob Kettenwachs oder Kettenöl kannst du dir dann selbst beantworten.
Unser Fazit: Es stimmt eindeutig – Ein Antrieb mit Kettenwachs ist, richtig angewendet, sauberer als einer mit Kettenöl.
Behauptung 2: Kettenwachs mindert den Verschleiß
Das ist natürlich eine Sache, die man auf die Schnelle nicht testen kann. Die unterschiedlichen Hersteller versprechen allesamt, dass es so ist: Wenn du mit Kettenwachs schmierst, soll dein Antrieb länger halten. Die Gründe dafür sind zumindest nachvollziehbar: Der Antrieb ist immer blitzblank und es haften kein beziehungsweise kaum Schmutz oder Staub an. Das reduziert natürlich den Verschleiß. Zudem ist das Innere der Kette perfekt geschmiert – genau dort also, wo der eigentliche Verschleiß stattfindet.
Wenn du immer einen top gepflegten Antrieb hast, ist der Unterschied zu Kettenöl wahrscheinlich ziemlich gering. Doch mal ehrlich: Wer reinigt schon nach jeder Ausfahrt seine Kette und achtet penibel auf Sauberkeit? Der typische „Siff“ rund um den Antrieb entspricht wohl eher der Realität…
Wir haben noch einen weiteren Punkt, der dafür spricht, dass mit Kettenwachs der Antrieb länger hält. Grund dafür ist ein Prozedere, welches sich mit Kettenwachs offenbar bewährt hat. Da das Wachsen der Kette relativ aufwendig ist, lohnt es sich, immer gleich mehrere Ketten gleichzeitig zu wachsen. Im Idealfall bereitest du einmal im Jahr mehrere Ketten für die ganze Saison vor. Sobald die Schmierung nachlässt, kannst du immer gleich die Kette austauschen. Die „verbrauchten“ Ketten werden gesammelt, irgendwann gemeinsam wieder neu gewachst und stehen erneut zur Verfügung. So ist dein Antrieb immer top gepflegt und der Verschleiß somit minimal.
Mit anderen Worten: Die Kette ist beim Antrieb das Bauteil, welches dem meisten Verschleiß unterliegt. Eine verschlissene Kette schadet allen anderen Komponenten und „zerstört“ Kettenblatt und Ritzel. Wenn du aber immer eine top gewachste Kette verwendest und den Verschleiß auch noch auf mehrere Ketten verteilst, sollte sich das sehr positiv auf die Lebenszeit deines gesamten Antriebs auswirken. Natürlich kannst du dieses Prinzip auch mit Kettenöl anwenden – aber mal ehrlich: Wer macht das schon?
Unser Fazit: Zwar sind wir noch nicht so lange mit Kettenwachs unterwegs, dass wir es selbst belegen können. Die Fakten sowie viele Erfahrungsberichte sprechen im direkten Vergleich „Kettenwachs oder Kettenöl“ aber dafür, dass es stimmt: Ein korrekt gewarteter Antrieb mit Kettenwachs mindert den Verschleiß und verlängert das „Leben“ deiner Antriebskomponenten.
Behauptung 3: Kettenwachs holt mehr Leistung aus deinem Antrieb heraus
Das ist ein Punkt, der vor allem für leistungsorientierte RadsportlerInnen spannend ist, die sich mit dem Thema Kettenwachs oder Kettenöl beschäftigen. Hier wird schließlich um jedes Watt gekämpft. Und wenn beim Antrieb noch was geht, kann das ein kleiner, aber entscheidender Vorteil sein. Aber ist das wirklich so? Ist ein Antrieb mit gewachster Kette effizienter?
Ganz ehrlich: Uns ist dieser Aspekt relativ egal. Wir radeln aus Spaß und aus der bisherigen Erfahrung heraus ist der Unterschied zwischen einer Kette mit Kettenwachs oder Kettenöl zumindest nicht spürbar. Trotzdem ist der Zusammenhang dahinter irgendwie logisch: Die Kette ist sauberer, der Verschleiß geringer, die Reibung niedriger – also sollte unterm Strich zumindest ein kleiner Leistungszuwachs messbar sein. So logisch das auch klingt, cooler wäre natürlich ein Beleg für diese Behauptung. Wir werden das nicht nachmessen. Es gibt andere – echte Wachs-Nerds – die sich bis ins Detail mit so etwas befassen. Einer davon ist „der Baranski“: Marcus Baranski schwört auf Kettenwachs und veröffentlicht dazu immer wieder interessante Artikel in seinem Blog. In diesem hier greift er auch das Thema Effizienz auf, inklusive ein paar Zahlen. Wenn dich das interessiert, klick dich mal rein.
Unser Fazit: Uns ist es ehrlich gesagt ziemlich egal und der Effekt ist unserer Meinung nach ohne präzise Messung nicht spürbar. Dennoch scheint es logisch und vielen Erfahrungsberichten sowie wenigen belastbaren Untersuchungen nach holt Kettenwachs tatsächlich ein wenig mehr Leistung aus deinem Input heraus.
Behauptung 4: Kettenwachs ist besser für die Umwelt als Kettenöl
Dieses Thema liegt uns natürlich besonders am Herzen: Ist Kettenwachs oder Kettenöl besser für die Umwelt? Deshalb auch gleich vorweg die ernüchternde Feststellung: Auch, wenn es fast alle behaupten – im Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit steht Kettenwachs nicht wesentlich besser da, als Kettenöl. Warum das so ist, erklären wir im Folgenden.
Für die Herstellung von Kettenwachs wird in der Regel Paraffinwachs verwendet, plus eventuelle Zusatzstoffe. Paraffinwachs ist ein Nebenprodukt der Erdölindustrie. Ohne Erdöl (und die damit verbundenen industriellen Prozesse) also auch kein Paraffinwachs. Wenn man es positiv ausdrücken möchte: Solange Erdöl raffiniert wird, fällt Paraffin ohnehin quasi als Abfallprodukt an – wird also nicht extra separat hergestellt. Paraffinwachs ist nicht, beziehungsweise sehr schwer biologisch abbaubar. Es kann Jahre dauern, bis abgefallenes Kettenwachs zersetzt wird. Immerhin gilt Paraffin aber als ungiftig: Es findet nicht umsonst in zahlreichen kosmetischen Produkten Verwendung (wobei es nicht unumstritten ist). Du kennst es auch von anderen Produkten, beispielsweise als „Rand“ vieler Käsesorten.
Die zur Verbesserung der Schmierung beigesetzten Zusatzstoffe sehen nicht besser aus: Graphit beispielsweise wird unter oft fragwürdigen Bedingungen abgebaut oder ebenfalls synthetisch als Nebenprodukt der Erdölindustrie gewonnen. So ehrlich sollte man also sein: In Bezug auf seine Herstellung steht Kettenwachs nicht wirklich besser da, als Kettenöl. Schon gar nicht, wenn wir über moderne, biologisch abbaubare Öle wie das von Antidot sprechen. Es steht und fällt also mit der Performance vom Kettenwachs: Wenn das Wachs lange hält, es also sparsam verwendet wird, ist das ein Plus. Wenn es zudem noch den Verschleiß senkt und die Antriebskomponenten länger halten, ist das weiterhin ein Punkt auf der Pro-Liste mit vielen guten Auswirkungen – bis hin zu weniger Transportaufwand von Ersatzteilen.
Unser Fazit: Kettenwachs hat nichts mit dem natürlichen Wachs der fleißigen Bienchen zu tun – es wäre auch zu schön gewesen. Wie Kettenöl entsteht das Paraffinwachs in einem energieintensiven chemischen Prozess als Nebenprodukt der Erdölindustrie, ist nur schwer biologisch abbaubar und steht somit kaum besser da als Kettenöl. Der positive Effekt im Bezug auf Nachhaltigkeit ist eher indirekter Natur: Weniger Verschleiß spart Ressourcen und Transportwege – und das ist definitiv gut für die Umwelt.
Kettenwachs oder Kettenöl – Der Selbstversuch: Die Umrüstung von Kettenöl auf Kettenwachs
Natürlich wollten wir ganz genau wissen, ob uns Kettenwachs oder Kettenöl besser gefällt. Wir fanden schnell den passenden Hersteller für unser Vorhaben. Per Internetsuche landeten wir ohne Umwege auf der Webseite von Optimize. Dahinter steckt der erst 21 Jahre alte Felix, der die Nase voll von unperfekten Wachsprodukten hatte und die Sache kurzerhand selber in die Hand nahm. In seinem Elternhaus in Solingen – einen Katzensprung von unserer Redaktion entfernt – entstand seine perfekte Rezeptur, mit der er sich offenbar in kurzer Zeit einen guten Ruf erarbeitet hat. Ein paar Telefonate später hatten wir Optimize Kettenwachs in der Redaktion liegen und konnten loslegen. Die ganze Story dazu findest du in lifeCYCLE Magazine #22. Hier gibt’s unser Video zum Thema Kettenwachs oder Kettenöl sowie unser Kurzfazit.
Kettenwachs oder Kettenöl – Unser Kurz-Fazit
Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage: Kettenwachs oder Kettenöl. Die Umrüstung von Kettenöl auf Wachs beziehungsweise der damit verbundene Reinigungsaufwand erscheint uns ziemlich groß – da muss man schon Lust zu haben. Außerdem ist dafür eine größere Menge Reinigungsmittel notwendig, das im Nachgang definitiv in den Sondermüll gehört. Das Ergebnis überzeugt uns bislang trotzdem! Mit anderen Worten: Der Aufwand ist nicht von der Hand zu weisen – doch er lohnt sich. Ob das auch für dich der Fall ist? Das musst du schon selbst entscheiden. Wenn du Wert auf einen jederzeit sauberen Antrieb legst oder das letzte Watt Leistung aus deinem Bike herauskitzeln und ganz nebenbei noch die Nutzungszeit deiner Komponenten verlängern möchtest, ist Kettenwachs für dich sehr wahrscheinlich eine ziemlich gute Sache!
Kleiner Tipp für Faule: Schneller geht es mit Flüssigwachs, das ähnlich wie Öl einfach auf die Kette aufgetragen wird. Vorgewachste Ketten sind ebenfalls ein heißer Tipp für alle, die den Aufwand gering halten wollen.