„Das erste Road Plus Bike der Welt mit variabler Geometrie“ – Rondo nimmt den Mund ganz schön voll, wenn es um sein neues HVRT geht. Es sei sowohl ein Renn-Renner, als auch ein entspanntes Endurance-Rad, das sich auch auf Landstraßen und Feldwegen wohl fühlt. Wir sind der Sache mal auf den Grund gegangen und haben das Rondo HVRT einem kleinen Test unterzogen.
Rondo HVRT ST: Allgemeines
Rondos HVRT ST ist ein bisschen so, wie der Wolf im Schafspelz. Vor allem das Modell „ST“, unser Testbike, dessen Rahmen aus Stahl gefertigt wird, was dem Rad einen fast schon klassischen, unscheinbaren Look verleiht. Trotzdem ist es alles andere als altbacken – in diesem Rad stecken eine Menge frischer Ideen, die wir vorab einmal vorstellen möchten. Allem voran ist da natürlich die Möglichkeit, neben sportlichen Rennrad-Laufrädern mit dünnen Straßenreifen (bis maximal 30 mm) auch 650B-Laufräder mit bis zu 47 mm breiten Schlappen zu montieren, was dem Rad zumindest theoretisch schonmal einen sehr großen Einsatzbereich erschließt. Der soll nochmal dadurch erweitert werden, dass an der Front Rondos „Twintip“-Gabel verbaut ist, an der man über einen massiven Flip-Chip an den Ausfallenden Lenkwinkel, Gabeloffset, Radstand und einiges mehr verändern kann. Über all diese Anpassungsmöglichkeiten soll das Rad sowohl als aggressives Racebike, aber auch als komfortables Endurance-Rennrad taugen, mit dem man sich sogar mal auf Feld- und Schotterwege trauen können soll. Alles, was man dafür benötigt, ist ein zweiter Laufradsatz. So gesehen soll das Rondo also weniger ein Wolf im Schafspelz sein, sondern vielmehr Wolf und Schaf in einem. Ich bin gespannt…
Unser Testbike: Rondo HVRT ST
Das Rondo HVRT ST ist in zwei Versionen erhältlich: Das günstigere Modell ist das HVRT AL mit – der Name lässt es vermuten – Aluminiumrahmen und einer günstigeren Ausstattung, das für rund 1.700 Euro seinen Besitzer wechselt. Ich habe das Modell „ST“ zum Testen bekommen, das mit 2.399 Euro ein Stück teurer, aber auch höherwertig ausgestattet ist. Rein optisch ist sein schlanker Stahlrahmen in Blau mit weißer Gabel auf jeden Fall schonmal ein ziemlicher Hingucker. Dezent, aber modern und edel. Das Rad wird mit 28 Zoll Rennrad Laufrädern ausgeliefert, die mit schlanken Michelin „Dynamic Classic“-Reifen in 28 mm Breite bestückt sind. Zusätzlich hat mir Rondo aber noch einen 650B-Laufradsatz mit 1,9 Zoll breiter „Gravelking“-Bereifung von Panaracer geschickt, damit ich auch alle Möglichkeiten ausprobieren konnte. Und hiermit ist auch schon klar: Das ganze Konzept des Bikes schöpft man nur voll aus, wenn man noch in einen zweiten Laufradsatz investiert. Der wiederum ist natürlich günstiger, als ein weiteres Bike. Am Ende muss wirklich jeder für sich entscheiden, ob es für einen selbst Sinn macht oder nicht.
Ergänzt wird das Ganze jedenfalls durch eine 105er Gruppe von Shimano, einen Fabric „Scoop“-Sattel und ein paar Rondo-eigene Parts. Ich startete meinen Test mit den 650B-Rädern, weil sich das im Winter einfach anbot, und wählte darum auch zunächst die „entspanntere“ Lo-Position an der Gabel des Rondo.
Setup
Grundsätzlich lohnt es sich, vorab noch einmal auf die vielen Abstimmungsmöglichkeiten zu schauen, die das Rad bietet. Denn es macht ja einen Unterschied, ob man einen 25-mm oder einen 47-mm-Reifen fährt, ob man einen Lenkwinkel von rund 72 oder doch eher fast 73 Grad einstellt und ob der Gabeloffset 5 mm länger oder kürzer ist. Was vielleicht auf den ersten Blick wieder viel zu kompliziert wirkt, ist aber eigentlich ganz einfach: Wer lieber auf der Straße richtig Gas gibt und im Renntempo irgendwelche Rampen hochknallen will, entscheidet sich eher für die „Hi“-Position und baut 28-Zoll-Laufräder ein. Wer eher entspannt unterwegs sein will und vielleicht auch mal über einen Waldweg rollen möchte, nimmt halt 650B-Räder mit breiten Reifen und montiert sie in der „Low“-Position. Fakt ist jedenfalls, dass der Wechsel super schnell vonstatten geht. Selbst der Flip-Chip in der Gabel ist binnen weniger Minuten umgedreht, sodass man theoretisch sogar vor jeder Ausfahrt spontan entscheiden könnte, worauf man mehr Lust hat.
Rondo HVRT ST: Ausstattung und Geometrie
Wie schon oben erwähnt, ist die Ausstattung vor allem über die 105er Gruppe von Shimano definiert. Die Gruppe ist bewährt und bietet ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Und sie nutzt zwei Kettenblätter mit 50 und 34 Zähnen sowie einer 11-28er Kassette. Das dürfte vor allem dem eher klassischen Rennradfahrer entgegenkommen, der von feinen Gangabstufungen und einer großen Übersetzungsbandbreite profitiert. Im Gegenzug muss man mit relativ vielen Schaltkomponenten leben und in Kauf nehmen, dass die Schaltgruppe nicht unbedingt für Ausflüge abseits der Straßen gemacht ist (was aber ja ohnehin nicht die primäre Spielwiese des HVRT sein soll).
Ebenfalls bemerkenswert ist, dass Rondo auf durch den Rahmen verlegte Züge und Leitungen verzichtet. Nur die Leitung zur Vorderradbremse ist durch die Gabel verlegt, der Rest verläuft außen am Rahmen. Ganz klassisch, irgendwie passend zum Rad und vor allem extrem easy in der Handhabung, falls wirklich mal was repariert werden muss. Letzten Endes ist das ein klarer Fall von Geschmacksache, mich hat’s in keiner Weise gestört. Im Gegenteil: Ich finde, dass das Rad insgesamt optisch einen echt stimmigen Eindruck macht.
Alle Infos direkt vom Hersteller gibt’s unter http://rondo.cc/hvrt-st,71,pl.
Ausstattung Rondo HVRT ST
- Preis: 2.399 Euro
- Gewicht: 10,7 kg (inkl. Pedale und mit Rennrad Bereifung)
- Rahmen: Stahlrahmen aus Tange Prestige Rohren
- Rahmengrößen: 51, 54, 56, 58, 60 cm
- Lenker: RONDO Road 400 mm (XS, S), 440 mm (M, L), 460 mm (XL)
- Vorbau: RONDO 90 mm (XS, S), 100 mm (M), 110 mm (L), 120 mm (XL)
- Sattel: Fabric Scoop Flat CR-TI
- Sattelstütze: RONDO 350, 27,2 mm
- Bremsen: Shimano 105 BR-R7070, Hydr. Disc Brake, Flat Mount (160/160)
- Schaltung: Shimano 105
- Kurbeln: Shimano 105 FC-RS510
- Schaltwerk: Shimano 105
- Kassette: Shimano KCS5800 11-18, 11-Gang
- Kette: Shimano CN-HG701
- Naben: RONDO Superlight
- Felgen: RONDO Superlight
- Reifen: Michelin Dynamic Classic 700c x 28 mm
Geometrie
Hi-/Lo-Position | 51 | 54 | 56 | 58 | 60 |
---|---|---|---|---|---|
Reach | 370/364 mm | 382/375 mm | 390/383 mm | 397/391 mm | 405/398 mm |
Stack | 530/535 mm | 550/555 mm | 573/578 mm | 597/603 mm | 617/622 mm |
Oberrohr horizontal | 540/542 mm | 550/552 mm | 564/566 mm | 578/580 mm | 592/594 mm |
Kettenstrebe | 408 mm | 408 mm | 408 mm | 410 mm | 410 mm |
Tretlager Überhöhung | 72/67 mm | 72/67 mm | 72/67 mm | 72/67 mm | 72/67 mm |
Lenkwinkel | 72,8/72,1 Grad | 72,8/72,1 Grad | 73,5/72,8 Grad | 73,8/73,1 Grad | 73,8/73,1 Grad |
Sitzwinkel | 73,3/72,6 Grad | 73,3/72,6 Grad | 73,3/72,6 Grad | 73,3/72,63 Grad | 73,3/72,6 Grad |
Gabeloffset | 45/40 mm | 45/40 mm | 45/40 mm | 45/40 mm | 45/40 mm |
Rondo HVRT ST: Die Testfahrt
Im Gegensatz zu den meisten meiner anderen Testfahrten „entführte“ ich das Rondo nicht auf eine lange Bikepacking-Tour, sondern fuhr damit vor allem in heimischen Gefilden umher. Darum habe ich sicher nicht so viele Eindrücke gesammelt, wie üblich und schilder hier dementsprechend eher einen „Ersten Eindruck“ und keinen Ausdauertest. Ich startete meinen Test mit den 650B-Rädern, weil sich das im Winter einfach anbot, und wählte darum auch zunächst die „entspanntere“ Lo-Position an der Gabel des Rondo. Die super breiten „Gravelking“-Reifen bekamen etwas über zwei Bar verpasst und schon konnte es losgehen.
Rondo HVRT ST: Die Fahreindrücke
Tatsächlich musste ich mich kurz an das Fahrgefühl des Rondos im „Gravel-Modus“ gewöhnen. Was vor allem der Bereifung geschuldet war. Der „Gravelking“ ist schon sehr breit, vor allem aber ist er sehr voluminös, hat eine breite, dennoch fast profillose Auflagefläche und ist zudem auch noch sehr „weich“. Daraus resultiert ein lautes Fahrgeräusch und ein recht schwammiges Fahrgefühl. Ich war mir bis zuletzt nicht sicher, ob der Name „King“ nicht etwas zu hoch gegriffen war, Fakt ist jedoch, dass dieser Reifen immer mehr in seinem Element ist, desto weiter man sich von festen Wegen auf Asphalt entfernt. Auf Schotter- und Waldwegen machte er durchaus einen guten Job. Auf Straßen hingegen wirkte er extrem träge und – wesentlich problematischer – sehr rutschig, sodass man immer Vorsicht walten lassen muss, um sich nicht in einer feuchten Kurve lang zu legen. Aber: Es ist nur ein Reifen und den kann man schnell wechseln.
Abgesehen davon machte mir das Rondo HVRT ST richtig Spaß. Kleiner Wermutstropfen: Die 2-fach-Schaltung. Sobald man Offroad fährt, macht mir ein 1-fach Antrieb einfach mehr Spaß. So muss man immer zwischen Umwerfer und Schaltwerk jonglieren und außerdem klappert die 2-fach-Schaltung auf unebenem Untergrund einfach viel mehr. Nichts desto trotz hat die Schaltung einen guten Job gemacht. Der Rest vom Rad konnte mich aber ohne Einschränkungen überzeugen. Die Geometrie ist sportlich aber komfortabel und es hat mir viel Freude gemacht, damit stundenlang durch den Wald zu fahren. Und die Betonung liegt wirklich auf „Wald“ – keine gelegentlichen Ausflüge über einen kurzen Schotterweg, sondern wirklich über Trails und Pfade fernab von jedem befestigten Untergrund. Im Gegensatz zu Rondos eigener Einordnung „Road Plus“ würde ich dem HVRT tatsächlich beste Gravel-Eigenschaften bescheinigen, vor allem, wenn man ihm noch einen griffigen Reifen spendieren würde. In jedem Fall aber besitzt es ganz hervorragende Allround-Eigenschaften, die dank der Befestigungsmöglichkeit von Schutzblechen sogar einen commuting-/ oder bikepackingtauglichen Aufbau ermöglichen würde.
Als sich der Winter endlich verabschiedete, war es an der Zeit, das andere Gesicht vom Rondo HVRT ST kennenzulernen. Also baute ich die dicken Schlappen aus, drehte des Gabel-Flip-Chip auf „Hi“ und montierte die 28-Zoll-Laufräder mit dünner Straßenbereifung von Michelin. Und siehe da: Tatsächlich stellte sich ein gewisser „Aha“-Effekt ein. Klar, man erhält kein komplett anderes Fahrrad. Aber die Unterschiede sind doch ziemlich markant. Bisher hatte ich das HVRT eher als gutmütigen Allrounder kennengelernt. Plötzlich saß ich auf einem flotten Rennrad, das mich tatsächlich dazu anstachelte, mal wieder ein bisschen Gas zu geben. Den Hauptunterschied machen hier sicherlich die Laufräder und die Reifen aus. Der Flip-Chip an der Gabel ist das Feintuning. Und hier hat man immer noch die Möglichkeit, sich zwischen „eher komfortabel“ und „tendenziell aggressiver“ zu entscheiden. Es sind kleine Veränderungen, die sich aber durchaus bemerkbar machen. Dabei würde ich auf keinen Fall sagen, dass eine der beiden Möglichkeiten die Bessere ist. Vielmehr sollte es jeder einfach selbst ausprobieren und die für sich passende Einstellung finden. Das wiederum ist überhaupt kein Problem, denn die Änderungen sind total schnell und ohne große Schrauborgie erledigt.
In einer Sache bin ich mir aber dann auch noch ziemlich sicher: Wenn Rondo von „Racebike“ spricht, dann meinen sie sicher nicht den ergebnisorientierten Vollblutrennfahrer. Denn dafür ist das Rondo HVRT ST sicher nicht die optimale Wahl. Insgesamt ist es ein sehr robustes, tendenziell komfortables Rennrad, das zudem nicht das Allerleichteste ist. Da ich aber ja Rondo-Boss Szymon persönlich kennengelernt habe (auf meiner „Bring me back Home Tour“), weiß ich genau, wie er das meint: Er selbst fährt unter der Woche mit seinen Bikekumpels durch die Gegend und versucht dabei, möglichst fernab der Hauptstraßen unterwegs zu sein. Dafür ist das HVRT bestens gerüstet. Am Wochenende baut er schnell aufs „Race-Setup“ um, und gibt sich auf der Rennstrecke die Kante. Nicht, um Weltmeister zu werden, sondern um seine Leidenschaft auszuleben. Und das alles auf ein und demselben Fahrrad. Und genau dafür ist das HVRT genau richtig!
Rondo HVRT ST: Unser Fazit
Ist das Rondo HVRT ST nun Wolf und Schaf in einem Bike? Ich finde, es ist noch viel mehr. Es ist günstig genug, um ein Bike für den Alltag zu sein. Es ist schön und außergewöhnlich genug, um Eye-Candy in der Sammlung des Radliebhabers zu sein. Es ist klassisch und modern. Es ist Road und Gravel. Es ist komfortabel und effizient. Es ist im Gegenzug kein Spezialist – aber genau das macht es aus. Das Rondo HVRT ist ein klasse Bike für alle, die einen zuverlässigen und erschwinglichen Partner für all das suchen, was auf und abseits der Straßen Spaß macht.