Beach Race Egmond – Überblick
Mit dem Rad kommt man rum. Mit dem Rad erfährt man die Welt. So erlebt jeder, der mit dem Rad auf Reisen geht, hautnah die Eigenheiten der Landstriche, die er gerade mit seinem zweirädrigen Entdeckungsmobil durchkreuzt: den Tumult und das Leben in großen Städten, die Abgeschiedenheit ländlicher Gegenden, die Schönheit von Flussauen und die tolle Aussicht nach dem Erklimmen eines Alpenpasses. Das Strand Rennen Egmond eröffnete mir eine völlig neue Perspektive …
Neben den oben genannten Facetten des Radsports erlebt man unterwegs auch kulturelle Eigenarten: Gastfreundschaft und Garstigkeit oder kulinarische Spezialitäten, die man entweder genießen oder über die man sich wundern kann. Und natürlich sieht man auch die Eigenschaften einer Gegend, die das Radfahren selbst maßgeblich beeinflussen: tolle Radwege, miese Rüttelpisten, fantastische Bahntrassenwege, stets präsenter Gegenwind …
Bevor man radfahrerisches Neuland anrollt, hat man immer ein Bild im Kopf, das entweder bestätigt oder korrigiert wird, sobald man die Realität entdeckt. Holland sorgte für eine ganze Bilderreihe, die mir durch den Kopf schwirrte, als ich mich auf das bevorstehende Wochenende vorbereite. Es ist nicht so, dass ich noch nie in Holland war. Erkundschaftungen vor Ort mit dem Rad halten sich allerdings in Grenzen.
Holland – ich denke an die gelb-benummerte Camper-Karawane ins Sauerland, die schon für so manchen Fluch, der über meine Lippen kam, sorgte. Ich denke an Fritjes, Frikandel, an Vla und Poffertjes und natürlich an Tante Antje und ihren Käse. Und ich denke an ein tolles Radwegenetz, stetigen Gegenwind und eine aalglatte Topografie, die Dünen zu Bergen wachsen lässt. Nach diesem Wochenende werde ich vor allem an eines denken: das Strand Rennen Egmond!
Das Strand Rennen Egmond
Not macht erfinderisch, sagt man. Ob man es nun als Not empfindet, wenn man vor der Haustür weder Hügel noch Berge hat, sei mal dahingestellt. Erfinderisch sind unsere Nachbarn so oder so, wenn es ums Thema Radfahren geht, was sich insbesondere in der Offseason zeigt. Das treibt mitunter recht seltsame Blüten hervor.
Die holländischen Gegenwindmeisterschaften bei den Zeelandischen Deltawerken beispielsweise bieten genügend Stoff zum Schmunzeln und treiben die Redensart „Aus der Not eine Tugend machen“ auf die Spitze. Eine durchaus „seriösere“ holländische Spezialität in Sachen alternativer Offseasongestaltung ist das Strand Rennen Egmond.
Irgendwann in den 90ern etabliert, sind diese Veranstaltungen heute ein fester Bestandteil des holländischen Winterradsports und ziehen teils tausende Teilnehmer an. Zwei stets präsente Gemeinheiten sorgen dafür in jedem Fall für den besonderen Charakter dieser Rennen. Das ist mir klar, bevor ich es mit eigenen Augen gesehen habe: Es ist der weiche Sand und es ist der böse Gegenwind. Gegen letzteren kann man wenig unternehmen, außer sich gut vor ihm zu verstecken. Auf das Fahren im Sand hingegen kann man sich vorbereiten.
Womit wir auch schon beim Thema „Material“ wären. Dem „Beach Race Spezialist“ bieten sich durchaus Möglichkeiten, sich optimal auf das Strand Rennen Egmond vorzubereiten. Als besonders tauglich gelten stabile Rahmen ähnlich einem Cyclocrosser, die gern mit Beachrace-Lenkern ausgestattet sind, speziellen Dropbar-Lenkern, die besonders breit und nach außen gebogen sind und im weichen Sand für eine bessere Seitenstabilität sorgen sollen. Besonders wichtig sind aber die Reifen.
Offenbar haben sich sehr voluminöse Reifen mit spärlichem Noppenprofil bewährt und wer ein bisschen googlet, stößt immer wieder auf einen Reifen: Der Schwalbe „G-One“ scheint das Beach-Gummi schlechthin zu sein. Und das in möglichst breiter Ausführung. Das wiederum bringt eine wichtige Eigenschaft des passenden Beachbikes mit sich: Rahmen und Gabel müssen entsprechend große Reifenfreiheit bieten, weshalb viele das Mountainbike dem Crosser vorziehen.
Ein Blick auf die Wettervorhersage erinnert mich daran, dass es Wichtigeres gibt, als das passende Fahrrad. Wenn ich dieses Rennen überleben will, brauche ich definitiv warme Winterbekleidung und es kann nicht schaden, eine Regenjacke mitzunehmen.
Am Renntag vom Strand Rennen Egmond komme ich mir einigermaßen gut vorbereitet vor. Mein Gefährt: ein „Exploro“ von 3ttt, das ein weiteres Mal seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen darf, auch wenn der dicke Sandreifen nur um Haaresbreite in den eigentlich großzügig bemessenen Hinterbau des Rahmens hineinpasst. Die Fahrt nach Holland bietet genug Zeit für den Kopfkino-Blogbuster „Beach Racer – Martin dreht durch“. Blitzeis und Schneeregen sorgen schon im Vorfeld für Spannung.
Dennoch erreiche ich Egmond aan Zee, die beschauliche Gemeinde im Norden von Holland, die im Sommer von Touristen übervölkert ist, während hier des Winters in der Regel idyllische Ruhe herrscht. Bis auf heute. Denn heute findet hier bereits zum 19. Mal das „AGU Egmont-Pier-Egmont Beach Race“ statt. Schon zehn Kilometer vor meiner Ankunft wird mir klar, dass in meinem Drehbuch ein Fehler vorliegt: Ich hatte mit maximal einigen Hundert Startern gerechnet. Hier strömen aber gerade von allen Seiten mit Fahrrädern beladene PKW aufeinander zu, die vom großen Kreisverkehr allesamt auf die finale Schnellstraße in Richtung Egmont ausgespuckt werden.
Es ist ein Wunder, dass die 5000-Seelen-Gemeinde an der Nordsee nicht vom Verkehrskollaps heimgesucht wird – offenbar hat der Veranstalter vom Beach Race die Massen gut im Griff. Das ist durchaus beeindruckend: Mit rund 4000 Teilnehmern gehen beinahe so viele Radler an den Start, wie Egmont Einwohner hat. Dementsprechend geschäftig ist es hier: Überall wird geparkt, sich umgezogen, das Rad aufgebaut. Dreh- und Angelpunkt ist die große Sporthalle, in der sich die Anmeldung befindet, in der es Snacks gibt und in der es vor allem warm ist!
Die Ausmaße vom Strand Rennen Egmond waren mir im Vorfeld nicht klar. Das hier ist kein freakiges Underground-Rennen. Es handelt sich um eine Großveranstaltung, die mich von ihrem Charakter eher an einen großen Radmarathon erinnert. Und wie auch bei einem Marathon ist der Großteil der Teilnehmer „just for fun“ am Start. Wenige der Fahrer, die mir hier begegnen, scheinen rein um des Racing Willens gekommen zu sein.
Dennoch gibt es diese Spezies. Und sie entspricht in etwa dem Bild, welches meine Recherchen im Vorfeld ergeben haben: ob nun Cyclocrosser oder 29er-MTB – der gebogene Lenker und die Schwalbe-Bereifung ist Pflicht. Der Rest allerdings schnappte sich, was die Garage hergab, montierte dicke Reifen der deutschen Company mit dem schönen Blau und ist nun hier in Egmont, wo einen Tag lang das Radfahren gefeiert wird.
Der Start entpuppt sich als eine etwas längere Prozedur. Gestartet wird das Strand Rennen Egmond in Blocks, anders lassen sich die 4.000 Fahrer kaum in geordneten Bahnen in Richtung Strand auf die sogenannte Rennpiste befördern. Vor lauter Aufregung und vor lauter Holländisch verpasse ich meinen Startblock und hänge mich an den darauf folgenden hinten dran. Na toll! Nichts desto trotz rollt der Tross einige hundert Meter über die von motivierten Zuschauern gesäumte Strandpromenade, bevor der große Startbogen den Beginn des Strands markiert.
Im Hintergrund kann ich schon die hohen Wellen der dunkelgrauen Nordsee sehen. Könnte windig sein. Doch zuvor gibt plötzlich der Boden unter uns nach: Aus Pflasterstein wird Sand. Tiefer Sand. Vor mir geraten die ersten Fahrer ins Straucheln, kippen um und schieben oder schultern das Rad. Ich nehme mir vor zu fahren, komme was wolle.
Es kostet Kraft, doch ich beiße mich durch, bis endlich der Boden unter den Reifen wieder fester wird. Lektion Nummer 1: immer auf dem schmalen Streifen Sand bleiben, der einigermaßen fest ist. Fährt man zu nahe am Wasser, wird es anstrengend. Dasselbe gilt, wenn man sich zu nahe in Richtung Düne in den losen, trockeneren Sand verirrt. Nun geht es also los.
Der Rennkurs vom Egmond Strand Rennen knickt einmal hart nach links ab, sodass wir parallel zur Brandung in Richtung Südsüdwest unterwegs sind. Und sogleich spüre ich ihn: den Gegenwind. Den lupenreinen, hundertprozentigen Gegenwind. Der größte Feind des Radlers oder der forderndste Trainingspartner. Ihm zu entgehen wird der Schlüssel zum Erfolg bei diesem Rennen sein. Sobald man sich im Feld versteckt, ist alles gut. Fast alles.
Denn dann wird es so entspannt, dass ich sofort dazu angeheizt werde, zu überholen. Das Problem ist nur, dass sich recht schnell größere Lücken ausgefahren haben. Also gibt es nur eine Möglichkeit: sich dem Wind stellen, ein paar Minuten lang die Zähne zusammenbeißen und zur nächsten Gruppe aufschließen, um sich dort etwas zu entspannen und von vorn zu beginnen.
Da die meisten hier hinten anscheinend eher eine Radour, als ein Beach Race fahren, mache ich mir auf diese Art mein eigenes, anstrengendes Race. Auf Mitstreiter gegen den Wind zu hoffen, gebe ich schnell auf. Dennoch macht es Spaß. Ich kämpfe gegen den Wind, überhole durch den losen Sand, freue mich, wenn ich so gerade eben nicht dabei gestürzt bin, rattere über Muscheln und Seesterne und weiche so dem einen oder anderen Sturz aus. Rund eine Stunde dauert der zermürbende Gegenwind-Blues.
Teil zwei vom Beach Race wird durch eine 180-Grad-Kurve und eine Verpflegungsstation eingeleitet, an der jedoch kaum einer anhält. Plötzlich ist es (wind-)still. Das laute Pfeifen des Winds in den Ohren verstummt. Gleichzeitig ist diese unsichtbare Wand verschwunden, gegen die es zuvor anzukämpfen galt. Wie entfesselt nehmen wir plötzlich Geschwindigkeit auf und fliegen nur so zurück in Richtung Ziel. Windschatten spielt plötzlich keine Rolle mehr, sodass ich mich nach Lust und Laune treiben lassen kann.
Kurz vor dem Ziel dann plötzlich eine durchaus überraschende Abwechslung: Die Strecke knickt plötzlich in Richtung Dünen ab, es folgt eine kurze Passage im Stile eines Radcross-Rennens. Inklusive Treppenabfahrt und Heuballen-Obstacle. Vor lauter Fahrspaß lasse ich mich beim Anbremsen auf dem Betonweg zu einem Powerslide hinreißen – strenge Blicke meiner Mitstreiter weisen mich sogleich darauf hin, dass die meisten hier froh sind, überhaupt irgendwie auf dem Rad zu bleiben. Ich lasse mir den Spaß nicht nehmen und stelle mich der letzten Herausforderung: auf den vor mir liegenden Weichsandpassagen nicht absteigen zu müssen!
Dann ist es auch schon geschafft, der Zielbogen ist in Sicht. Wiederum einige hundert Meter später ist das Ziel erreicht. Ich bekomme eine Finisher-Medaille und ein Sportgetränk überreicht. Überall im ganzen Dorf gibt es kleine „Bike-Wash“-Stationen, sodass man ohne große Warterei den bösen Sand vom Rad entfernen kann. Leider nur vom Rad: Ich selbst bleibe total versandet. Füße, Hände, Haare und vor allem die Augen freuen sich auf die Dusche daheim.
Und ich freue ich mich vor allem darüber, ein weiteres Mal mit meinem Rad neues Terrain erfahren zu haben! Auch wenn die Strecke wenig spannend war und – was ja in der Natur der Sache liegt – wenig Abwechslung bot: das Beachrennen war witzig, anstrengend und definitiv mal etwas ganz anderes!
Der Beach Reifen: Schwalbe „G-One“
Zugegeben, meine Erfahrung in Sachen Beach Race ging vor diesem Wochenende gegen Null. Dass die Wahl eines passenden Reifens über Freud oder Leid Strand Rennen Egmond entscheiden könnte, darauf kam ich mit ein bisschen Nachdenken aber von ganz allein. Eine kurze Recherche und schon war klar: Schwalbe hat mit seinem Sandreifen „G-One“ eine Marktnische gefunden, die sie nun nahezu vollständig ausfüllt.
Der „G-One“ ist am Beach omnipräsent und auch ich montiere den voluminösen Spar-Profil-Reifen am zum Beachracer umfunktionierten 3ttt „Exploro“. Zum Glück bietet der Rahmen eine relativ große Reifenfreiheit, denn das ist dringend notwendig. Das 27,5“ x 2,352 Zoll breite Gummi hat nämlich ausgewachsene MTB-Dimensionen und passt ziemlich sicher nicht in einen normalen Cyclocross-Rahmen.
Am „Exploro“ ist es Millimeterarbeit, aber es passt. Mit geringen 1,3 bar Luftdruck bin ich gut gerüstet für den Strand. Hier fährt man so geringen Luftdruck, denn dadurch vergrößert sich die Auflagefläche und man „schwimmt“ sozusagen auf der weichen Sandschicht und sackt nicht darin ein. Ich muss sagen: Das funktioniert ganz hervorragend! Solange man nicht in den ganz tiefen Sand kommt, ist der Grip top und der Vortrieb optimal.
Robust genug scheint der „G-One“ auch zu sein: trotz jeder Menge scharfer, spitzer Muschelschalen am Strand komme ich ohne Platten im Ziel an. Im Übrigen kann ich mir gut vorstellen, dass der Reifen auch am Gravelbike eine komfortable und dennoch gut rollende Alternative sein kann, sofern der Rahmen einen so breiten Reifen aufnimmt.