Martin Donat

Merida Silex 2024 Test: sanfte Modellpflege oder alles neu?

Bikepacking, Carbon, Gravelbike

Gravel Bikes haben seit vielen Jahren einen festen Platz im Portfolio von Merida. Die Gravel-Familie des taiwanesischen Unternehmens hört seit jeher auf den Namen „Silex“. Das Silex ist für mich ein alter Bekannter. Zuletzt hatte ich es 2020 getestet. Für diesen Merida Silex 2024 Test habe ich das neue Silex 7000 in meinem Fahrradkeller stehen und bin gespannt darauf, was mich erwartet. Wie hat sich das Silex zum jahrelang mehr oder weniger unveränderten Vorgänger weiterentwickelt? Dieser Frage gehe ich intensiv auf den Grund. Und wie könnte man das besser machen als auf einem schönen Gravel Bikepacking Abenteuer?

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Das Abenteuer zu diesem Merida Silex 2024 Test findest du in unserer Ausgabe #23!

Zu diesem Zweck habe ich meine Bikepacking Taschen gepackt, ans Silex geschnallt und bin mit ihm ins Münsterland gefahren. Dort habe ich die Route des „Castles & Cakepacking“ ausprobiert. Sie bietet einen tollen Mix aus Radwegen, Wirtschaftswegen und Trails. Außerdem bekommst du einen abwechslungsreichen Blick ins Münsterland sowie auf zahlreiche Schlösser und Burgen der Gegend. Und natürlich gibt es Kuchen – daher ja auch das „Cakepacking“. Lange Rede, kurzer Sinn: Was ich im Münsterland erlebt habe und ob es sich lohnt, die Route nachzufahren, kannst du in unserer Ausgabe #23 nachlesen. Hier soll es nun aber ums Silex gehen.

Merida Silex 2020 vs. Merida Silex 2024 Test – was sind die Unterschiede?

Wenn ich mir Fotos vom Silex 6000+ anschaue, das ich 2020 testen durfte, und sie mit dem neuen Modell vergleiche, fallen direkt ein paar Unterschiede auf. Das neue Modell – welches übrigens erst seit dem Modelljahr 2024 den neuen Rahmen hat – wirkt deutlich weniger „kantig“, als der Vorgänger. Der Steuerrohrbereich wirkt „flüssiger“ und ist kompakter geworden, die Gabel hat nicht mehr diesen optischen „Knick“, sondern verläuft gerade. Die Kettenstreben verlaufen zum Tretlager hin deutlich nach unten. Es gibt eine neue integrierte Sattelklemme: Die Stütze wird von oben geklemmt, nicht mehr seitlich am Oberrohr. Das ergibt eine sauberere Optik. Die Züge verlaufen nach wie vor im Rahmen, sie verschwinden im 2024er-Modell jedoch direkt „im“ Steuersatz und sind quasi gar nicht mehr sichtbar.

Das Silex hat also eine intensive optische Evolution durchlaufen. Es ist insgesamt weniger eckig, stattdessen sehr gefällig, sanft und wahnsinnig aufgeräumt. Das spiegelt ein Stück weit auch die Ausrichtung des Gravel Bike Konzepts wider: Ursprünglich trug das Silex deutliche Mountainbike-Gene in sich. Es hatte eine recht hohe Front mit langem Steuerrohr und fuhr sich auch vergleichsweise verspielt. Das damals getestete Silex 6000+ setzte mit seinen breiten 650B Reifen noch einen drauf und zeigte sich als noch geländegängiger „Offroad“-Spross der Silex Familie.

Das alte Silex. Genauer: das Modell Silex 6000+ aus dem Jahr 2020.
Das alte Silex. Genauer: das Modell Silex 6000+ aus dem Jahr 2020.
Die neue Version von 2024. Zumindest auf den zweiten Blick sind die Unterschiede deutlich zu sehen.
Die neue Version von unserem Merida Silex 2024 Test. Zumindest auf den zweiten Blick sind die Unterschiede deutlich zu sehen.

Dieser Aspekt findet sich in der aktuellen Modellreihe auf den ersten Blick nicht wieder. Es gibt keine 650B-Variante mehr und ein Blick auf die Geometrietabelle weist darauf hin, dass das Silex insgesamt „erwachsener“ geworden ist. Der „Reach“ wurde länger, der „Stack“ kürzer, der Lenkwinkel flacher, der Radstand länger. Theoretisch werde ich also etwas gestreckter, „sportlicher“ sitzen und ich erwarte ein sehr stabiles, ausgewogenes Fahrverhalten. Im Vergleich zum letzten Silex Test würde ich die aktuelle Geometrie nicht mehr als verspielt, sondern eher als modern und ausgewogen bezeichnen. Aber genug der theoretischen Analyse… Werfen wir lieber noch einen kurzen Blick auf die Ausstattung.

Merida Silex 2024 Test – Ausstattung und Set-up

Das Silex 7000 ist das zweitteuerste Modell der Gravel Familie von Merida. Nur das „Silex 10k“ setzt noch einen obendrauf. Dies allerdings sehr deutlich: Hier kommt nur High End zum Einsatz. Das 10k ist darum auch fast dreimal so teuer, wie das Silex 7000 und spielt eigentlich in einer eigenen Liga. Das Silex 7000 hingegen bleibt der ursprünglichen Merida Philosophie treu: Es ist „vernünftig“ ausgestattet und bietet viel Bike für überschaubares Geld. 3.249 Euro ist der empfohlene Verkaufspreis.

Dafür bekommst du eine bodenständige Ausstattung, die im Wesentlichen aus einer mechanischen Shimano GRX Gruppe mit 1 x 12 Antrieb und allerlei hauseigenen Parts besteht. Interessante Besonderheit beim Antrieb: Es wird eine Kassette aus der Mountainbike-Gruppe SLX verbaut, die mit ihren 10-51 Zähnen auch die passende Übersetzung für steile Anstiege bereithält. In Kombination mit dem 42-Zähne-Kettenblatt fühle ich mich jedenfalls bestens gerüstet für das hügelige Sauerland. Zur Ausstattung gehören weiterhin viele hauseigene Anbauteile wie Lenker, Vorbau und Sattel. Der Alulaufradsatz kommt aus dem Hause Easton und ist mit Maxxis Rambler Reifen bestückt. Dieses Paket ist robust, mit 9,46 Kilogramm aber nicht super leicht.

Neben den Parts lohnt ein Blick auf den Rahmen, der sehr durchdacht wirkt und etliche Features zu bieten hat. Bemerkenswert sind die zahlreichen Gewindeösen für Bikepacking Zubehör und Schutzbleche. Du kannst das Bike problemlos richtig „vollladen“, zum Beispiel für einen langen Bikepacking Trip. Für den Alltag kannst du einfach Schutzbleche nachrüsten. Die Befestigung eines Gepäckträgers hingegen ist nicht vorgesehen. Dafür kannst du an der Gabel Cages montieren. Diese ist außerdem für die Montage eines Nabendynamos optimiert. Im Hinblick auf die Reifenwahl kannst du Modelle bis zu einem Maß von 700×45 mm montieren.

Mein Set-up fürs Münster-Wochenende ist ganz klassisch: Lenkerrolle, Rahmentasche und Arschbombe. Dazu eine Trinkflasche, eine Radcomputer-Halterung und Akkulichter für die Dämmerung. Das passt alles und das ohne Gefummel. Was mir beim Packen sehr positiv auffällt, ist die extrem saubere Zugverlegung vorn: Die Züge und Leitungen verschwinden vom Lenker aus direkt im Steuersatz und zwar ganz ohne die herkömmliche „Schlaufe“. Sie sind quasi gar nicht da und können somit weder bei der Montage der Lenkerrolle stören noch am Rahmen schleifen und fiese Spuren hinterlassen. Das ergibt Sinn.

Merida Silex 2024 Test – Die Testfahrten

Um die Bikepacking-Eigenschaften des Merida Silex 2024 Test Bikes auf die Probe zu stellen, bin ich auf der Castles & Cakepacking Route durchs Münsterland geradelt. Diese Tour ist im Hinblick auf Höhenmeter keine wirkliche Challenge. Im Münsterland ist es eben flach. Trotzdem hat mich hier eine sehr abwechslungsreiche Strecke mit vielen typischen Gravel Elementen erwartet. In der Hohen Mark und in den Baumbergen gab es sogar ein paar knackige Anstiege sowie ein paar schöne Trails. Abgesehen davon bin ich mit dem Merida auch bei mir zu Hause durchs Sauerland gegravelt, sodass ich einen bunten Eindruck von den Fahreigenschaften des Bikes bekommen konnte.

Ich beginne mal mit den ersten Eindrücken auf meiner Hausrunde. Natürlich hatte ich noch meine letzte Silex-Fahrt im Hinterkopf. Im Vergleich zum 2020er-Modell fällt mir direkt auf: Das aktuelle Silex fährt sich deutlich „unauffälliger“. Die damals deutlich spürbaren MTB-Einflüsse sind ein wenig in den Hintergrund geraten.

Stattdessen sitze ich auf einem sehr ausgewogenen, absolut allround tauglichen Endurance-Gravelbike ohne Schnickschnack. Mit anderen Worten: Das Bike macht, was es soll. Es fühlt sich effizient und schnell an und macht auf den ersten Ausfahrten schon viel Spaß. Es ist zwar nicht das leichteste Bike, dafür vermittelt es aber ganz deutlich das Gefühl: Dieses Rad ist robust, da geht so schnell nichts kaputt. Auch nicht, wenn ich damit viel im Gelände fahre und auch mal ein paar Trails mitnehme.

Apropos: Weniger MTB-Gene bedeutet nicht zwingend, dass das neue Merida Silex 7000 Test Bike auf Singletrails und generell auf anspruchsvollem Boden weniger Spaß macht. Die moderne Geometrie bringt immerhin einen sehr flachen Lenkwinkel mit sich, der seinen Teil zu einem hohen Sicherheitsgefühl beiträgt. Ich sitze zwar sportlicher auf dem Rad, dennoch ist es auch auf sehr holprigem Untergrund hervorragend zu kontrollieren. Insgesamt fühlt es sich aber einfach mehr nach Dropbar Bike an, als sein Vorgänger.

Die Zuverlässigkeit des neuen Silex ist ein angenehmer Faktor auf einem Bikepacking Trip. Hier ist es einfach Gold wert, wenn ich mich auf mein Material verlassen kann. Und das trifft im Falle des Silex 7000 absolut zu. Das bisschen Mehrgewicht – sei’s drum. Das Bike ist mit Zelt, Schlafsack und Wechselklamotten ohnehin voll beladen – da ist es schlussendlich wurscht, ob das Rad selbst 8 oder 9 Kilo wiegt. Unterwegs im Münsterland habe ich jedenfalls keine Probleme mit meinem Material.

Das Rad fährt, die Ladung hält. Gerade vorn am Lenker ist die Zugverlegung eine tolle Sache (wie bereits oben erwähnt). Oft ist es so, dass am Lenker irgendwie immer irgendetwas stört, woran meistens irgendwelche Züge oder Leitungen beteiligt sind. An meinem Merida Silex 2024 Test Bike kann das nicht passieren, das finde ich gut.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen, die mich während dieses Merida Silex 2024 Test gestört haben. Erstens: Das kleine Notfall-Toolset unter dem Sattel. Grundsätzlich eine gute Idee und gut gemeint. Ich fand es nur extrem fummelig, das Tool überhaupt aus seiner Befestigung heraus und wieder dort hineinzubekommen. Das würde mich auf Dauer nerven. Außerdem ist das kleine Tool-Pack im Weg, wenn ich meine Satteltasche befestigen will. Deren Gurte muss ich um das Tool herumfummeln. Es hat geklappt, aber es hat genervt.

Punkt zwei bezieht sich auf die hübsche, aber ebenfalls etwas nervige Sattelklemme. Anfänglich hatte sie sich gelöst und auf meinen ersten Fahrten lernte ich, dass sie sich mit einigen Minitools nur schwer nachziehen lässt. Mit einem einzelnen Inbus-Schlüssel geht es deutlich besser. Vergisst man ihn, wird es unter Umständen fummelig. Mich stört daran, dass diese Klemmung ja eigentlich nur eine optische Sache ist. Eine herkömmliche Sattelstützenklemmung ist halt einfach bewährt. Hinzu kommt, dass sich die Gummikappe über der Klemmung immer wieder verschoben hat – das war es dann auch mit dem optischen Plus.

Last, but not least, mein dritter Kritikpunkt. Hierbei geht es um den Lenker. Dieser ist relativ schmal, hat einen runden Querschnitt und kommt beinahe ohne Backsweep und Flair aus. Es fühlt sich zum einen vorn relativ „eng“ an. Auf Dauer finde ich den Lenker zum anderen sogar etwas unbequem und mir schlafen gelegentlich die Hände ein. Das dünne Lenkerband macht es nicht besser. Mit anderen Worten: Am Silex-Cockpit sehe ich für mich persönlich deutliches Verbesserungspotenzial. Es gibt jedenfalls einige Gravel-Lenker, die mir persönlich an diesem Bike besser gefallen würden.

Merida Silex 2024 Test – mein Fazit

Nach getaner Arbeit: Das „Abschiedsfoto“ von Martin und dem Silex. Noch ein paar Kilometer entlang des Dortmund-Ems-Kanals und die schöne Castles & Cakepacking Tour war geschafft.
Nach getaner Arbeit: Das „Abschiedsfoto“ von Martin und dem Silex. Noch ein paar Kilometer entlang des Dortmund-Ems-Kanals und die schöne Castles & Cakepacking Tour war geschafft.

Das Silex ist erwachsen geworden! So kann ich mein Fazit in aller Kürze formulieren. Etwas länger ausgeführt: Beim neuen Rahmen sind optische „Spielereien“ ebenso weggefallen wie kleinere Geometrie-Experimente mit Mountainbike-Einflüssen. Herausgekommen ist ein extrem cleaner, durchdachter und moderner Rahmen, der allen Ansprüchen an ein ausgewogenes Endurance-Gravelbike gerecht wird.

Das Merida trifft einen guten Mix aus „sportlich“ und komfortabel. Schöne Details sind die konsequente interne Zugverlegung ohne störende Schlaufen am Lenker, die gute Allround-Bereifung, aber auch die große Übersetzungsbandbreite mit Berg-Potenzial. Weniger überzeugend fand ich kleine Details wie die integrierte Sattelklemmung, das fummelige Notfall-Tool und der altmodisch wirkende, etwas unbequeme Lenker.

Im Hinblick auf die Fahreigenschaften bin ich vollends zufrieden! Zwar ist das neue Silex etwas weniger verspielt. Dennoch hatte ich insbesondere auf technischeren Wegen und Trails sehr viel Spaß! Das Rad fährt sich sicher und komfortabel. Dennoch vermittelt es auf schnellen Strecken einen sehr effizienten Eindruck. Und das ist ein ziemlich guter Mix für dich, wenn du ein ausgewogenes Allround-Gravelbike suchst. Sei es für die verspielte Feierabendrunde daheim oder für den lang geplanten Bikepacking-Urlaub: Das Silex ist bereit dafür und ein zuverlässiger, vielseitiger Begleiter.

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