Martin Donat

Wasser, Weitblick, Niemandsland: Graveltour durch Schlesien

Bikepacking, Gravelbike

Text: Christian Hacker
Fotos: Wojtek Sienkiewicz

Los geht’s: Tag 1 der Graveltour durch Schlesien

Die dreitägige Graveltour startete gemütlich im Café Schwerdtner am Markt in Zittau. Die Räder standen rund um den „Marsbrunnen“, auf dem ein gewappneter Krieger seit 1585 auf einer Renaissance-Säule steht. Vier Löwenmarken an der Säule speien Wasser in das achteckige Brunnenbassin und zeugen vom einstigen Reichtum von Zittau. Die Teilnehmenden versammelten sich zum Tourstart.

Vor der offiziellen Begrüßung wurden alle Notwendigkeiten für unterwegs sowie für die abendliche Ruhe ins Begleitfahrzeug gepackt. Bis zur großen Willkommensrede durch Streckenchef Christian genossen die TeilnehmerInnen Kaffee und Kuchen am Brunnen, dem Ort, an dem sie sich auch am Sonntag nach dem gemeinsamen Abenteuern wieder alle verabschieden würden. An diesem Tag rollten sie gemeinsam auf frisch geputzten Rädern in die grüne Weite Tschechiens.

Das gemeinsame Ziel der ersten Etappe war die Unterkunft in Pobiedna (Polen), keine vierzig Kilometer Luftlinie entfernt. Die Region ist vor allem durch den legendären Anstieg zur Heufuderbaude auf 1.050 Meter Höhe bekannt, eine kleine Challenge für die Dresdner Radsportenthusiasten.

Der sonnig-warme Tag verlief in angenehmem Tempo, und die TeilnehmerInnen genossen den Wind um die Ohren. Entlang einsamer Flussläufe, über Brücken, Felder und Hügel rollten sie entspannt durch die tschechische Grenzregion. Weitblicke ins Zittauer Gebirge und zum Ješted luden zu Trink- und Nachfüllpausen ein. Michel, der Begleitfahrzeugführungsmeister, erhielt Dank für den Support zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Die Gelegenheit, tolle Spielgeräte im Niemandsland nahe des riesigen Tagebaus Bogatynia zu testen, wurde genutzt. Karussell und Wippen waren einwandfrei geölt, und die Zeit schien dort stillzustehen. Herrliche Weidelandschaften, knallgelbe Rapsfelder und duftende Waldwege sorgten für echtes Urlaubsfeeling.

Das Mittagessen auf Tschechisch wurde am Marktplatz in Frýdlant eingenommen, wo man sich ausreichend Zeit nahm. Nach einem freudigen Anstieg zum Aussichtsturm von Frydland und einem Spielplatz-Stop ging es entlang rasanter Waldautobahnen kühlend abwärts. Eine leider etwas komplexe Reifenpanne splittete das bisher sehr geeinte Fahrerfeld in viele kleine Grüppchen, Duos und Trios auf.

Die wunderbare Ungebundenheit ließ die Teilnehmenden den Alltag vergessen, und Zeitdruck spielte keine Rolle. In „sportlichen“ sechs Stunden absolvierten sie knappe fünfundsiebzig Kilometer. Im Hotel am Fuße des Gebirges wurden die Räder im kühlen Keller untergebracht und die Zimmer boten Raum für die erhoffte Regeneration. Das Hotel Dworek Saraswati mit gemütlichen Betten und großzügigem Platzangebot erwies sich als traumhaft. Im Salon des wunderschönen Herrenhauses genossen die Radfans ein Menü aus Vorsuppe, Hauptgang und Dessert.

Graveltour durch Niederschlesien – Tag 2

Der Wettergott zeigte auch am zweiten Tag sein Wohlwollen gegenüber den Gravelisten, nachdem er es in der Nacht ordentlich krachen lassen hatte. Die Gewitterwolken hatten sich über Nacht verzogen, und der Morgen zeigte sich kühl, windstill und trocken. Nach einem reichlichen Frühstück saßen die Teilnehmenden, wenn auch etwas verspätet, erneut auf ihren Rädern.

Heute stand mit bis zu 150 Kilometern und 2.400 Höhenmetern die Königsetappe des Gravel-Wochenendes an, die zum Abschluss im wahrsten Sinne des Wortes ihre Krönung erfuhr. Die Fahrt führte anfangs über Äcker und Felder, gespickt mit Pfützen der nächtlichen Gewittergüsse und dem ein oder anderem motorisierten Hindernis aus einer anderen Zeit.

Der erste Aussichtspunkt der Tour wurde erreicht und passend zur Besteigung des Felsens verzogen sich die Wolken, eröffneten bei Sonnenschein einen traumhaften Blick über die Landschaft Niederschlesiens. Einsame Wald- und Wiesenwege, vorbei an einem Stausee, führten zur ersten Rast des Tages nach Löwenberg. Ein kurzer Schlenker war nötig, um einer Baustelle und polnischen Bauarbeitern auszuweichen.

In Löwenberg angekommen, stärkten sich die TeilnehmerInnen bei Brötchen, Kaffee und Kuchen. Am Rande von Löwenberg erklommen sie die Miniaturausgabe des Elbsandsteingebirges und genossen den Ausblick. Die Fahrt setzte sich in kleineren Gruppen durch Wälder, Feld- und Wiesenlandschaften fort. Schotterpisten und anspruchsvolle Waldwege wechselten einander ab.

Die Ursprünglichkeit und Einsamkeit dieser Landschaften bot einen Wohlgenuss, auch wenn der Weg im Rapsfeld scheinbar endete und ein Weiterkommen aussichtslos schien. Doch ein guter Orientierungssinn führte schnell zurück auf den Weg. Am Wegesrand offenbarten sich viele unerwartete Entdeckungen, darunter ein kleiner, plüschiger „Problem“-Bär und ein scheinbar bodennah schwebendes Flugzeug mitten in den Feldern.

Ein Highlight war der epische Weg entlang der gestauten Bobr. Das Licht durch die Baumkronen auf den Weg über Wurzeln und Schotter sowie der ständige Blick aufs Wasser waren ein Freudenfest für jeden Graveler. Kurz vor Hirschberg lockte eine Kirmes, aber der Versuchung nach Spiel, Spaß und Freude abeits vom Graveltrack wurde widerstanden.

Von Hirschberg aus fuhr ein Teil der Gruppe im Licht der sich langsam senkenden Sonne über endlose Schotterpisten durch die Wälder hinauf auf den Stog Izerski auf knapp über 1.000 Meter Höhe. Die letzten Meter des Aufstieges verlangten Mensch und Rad noch einmal alles ab. Der traumhafte Ausblick bei Sonnenuntergang entschädigte jedoch für alle Mühen.

Der andere Teil der Gruppe bezwang mit dem Sepia Gora, dem kleineren Nachbarn des Stog Izerski, einen ebenfalls beeindruckenden Gipfel. Beide Gipfel bildeten jeweils für sich eine würdige Krönung dieser Tagesetappe. In rasanter Abfahrt ging es wieder zurück ins Tal und über die Felder zu ihrer herrschaftlichen Unterkunft.

Nachdem die Energiespeicher wieder mit reichlich Essen aufgefüllt waren, folgte der gemütliche Teil des Abends. Dank des Nachwuchs-Sommeliers Michel gab es eine illustre Auswahl an Weißweinen, deren Genuss sich manchmal erst beim zweiten oder dritten Schluck oder bei richtig gewählter Reihenfolge erschloss. Der Graveltag voller unerwarteter und epischer Momente endete gemütlich mit einem Lagerfeuer.

Schlesische Grenzer – Abschluss, Tag 3

Der dritte und letzte Tag begann kühl und frühlingshaft, mit dem Ziel, Zittau zu erreichen – nur noch dreiundsiebzig Kilometer und rund 1.200 Höhenmeter lagen vor den Gravelisten. Bei einem reichhaltigen Frühstück wurden die Energiereserven aufgefüllt, anschließend die Sachen gepackt und ins Begleitfahrzeug geladen. Mit Schwung ging es los, Richtung Heimat.

Abschied nahm die Gruppe vom malerischen Pobiedna in Niederschlesien und einer Landschaft, die ihnen für einige Stunden noch erhalten bleiben sollte. Während gestern holprige Anstiege das Bild prägten, führten die ersten Kilometer des Tages entlang der Straße, bis es dann in den Wald und entlang kurviger Waldwege ging. Auf wunderbaren Waldwegen erklommen die RadlerInnen in kleinen Gruppen stetig Meter um Meter. Die Belohnung folgte am Palicnik auf knapp 950 Meter Höhe mit einem atemberaubenden 360°-Panorama über das Isergebirge.

Die Waldwege und Schotterpisten trugen die Gruppe rauf und runter, und die Kilometer flogen dahin. Am „Samalova Chata“ wurde Halt gemacht für das frühe Mittagessen, bestehend aus Palatschinken, Suppe und einem erfrischenden Humpen. Die Hälfte der heutigen Strecke war bereits geschafft.

Der weitere Weg führte steil bergab, und die Kilometer verstrichen mühelos. Ein am Fluss liegender Spielplatz verführte die Gruppe zu einer erneuten Pause, und die kindliche Freude beim Testen der Spielgeräte kam erneut zum Vorschein. Nach einem kurzen Fotoshooting auf und hinter Strohballen setzte die Gruppe die Fahrt im Sauseschritt fort, entlang des Drei-Länder-Ecks.

Plötzlich war es soweit. Nach rund 300 Kilometern und über 4.000 Höhenmetern erreichten sie gemeinsam den Marktplatz in Zittau. Christian, der Tourleiter, hielt eine kleine Ansprache, und die Gruppe ließ die Ereignisse der letzten Tage bei Kaffee, Kuchen und Eis Revue passieren. Es war schön. Niederschlesien, man sieht sich wieder. Bald, ganz bestimmt.

Infos zur Dropbarcrew und zur Graveltour durch Schlesien

Termin der Graveltour durch Schlesien: 3. – 6. Oktober 2024

Hier geht’s zur Webseite der Dropbarcrew.

Hier findest du viele weitere Termine für die laufende Saison.

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