Vor vierzig Jahren, im Jahr 1982, ging noch vor dem Sprick Comfortable das erste Kunststoff-Fahrrad als komplette Neuentwicklung von Volvo-Ingenieuren in Schweden an den Start. Es hieß „Itera“, was soviel bedeuten sollte wie: ewig leben (von lateinisch iter = der Weg). Der Name war damals Programm, denn der ABS Kunststoff konnte nicht rosten und zudem sollte die Arbeitszeit sparende Fertigung das „Itera“ zum Fahrrad für die Massen machen. Da die schwedischen Fahrradhändler es aber konsequent ablehnten, wurde es als Baukasten im Direktverkauf versendet. Bis zur Einstellung der Produktion im Jahr 1985 wurden etwa 30.000 Stück verkauft.
Sprick Comfortable – Überblick
Die Deutsche Antwort auf das schwedische Fahrradmodell Itera: Sprick Comfortable
Im deutschen Wuppertal leitete Odo Klose, seinerzeit Professor an der damaligen Gesamthochschule, ein eigenes und erfolgreiches Designbüro. Schon 1980 hatte er für die Fahrrad Firma Kalkhoff das Polyester-Fahrrad „Futura“ aus einem Guss entwickelt, das aber wohl wegen der damals noch ungewohnten Fertigungstechnik nicht in Produktion ging. Danach kehrte er zum klassischen Stahlrohr-Rahmen zurück und verwendete den Kunststoff nur für drei große Schellen, die jeweils Lenksäule, Tretlager und Sattelrohr aufnahmen.
Damit wurde die aufwendige Muffen-Löttechnik durch den simplen Formschluss der Plastik-Schellen ersetzt. Der vertikal flexible Doppelrohrrahmen bot mehr Federung als der starr triangulierte Diamantrahmen, auch durch die Verwendung einer Stahlrohrgabel. Im Vergleich zeigte das „Itera“ dagegen ein eher hartes Fahrverhalten, auch wegen seiner radialen Druckspeichenräder aus glasfaserverstärktem Polyamid.
Sprick Comfortable: Premiere auf der IFMA 1982 in Köln
In Rekordzeit wurde der Entwurf von Odo Klose in Zusammenarbeit mit der Sprick GmbH in Bielefeld zur Produktionsreife entwickelt und als klassisches Stadtrad Sprick „Comfortable“ auf der IFMA Fahrradmesse 1982 in Köln vorgestellt. Die Rennrad Fans, wozu auch der Fachhandel gehörte, lehnten das bequeme Rad genauso ab, wie es auch in Schweden beim „Itera“ der Fall war, also übernahm die Kaufhauskette Metro, wo Sprick Hauslieferant war, den Vertrieb zum Preis von 700 D-Mark, was trotz der vielen Extras zu hoch erschien und bald auf 499 D-Mark gesenkt wurde. Sprick musste folglich mit günstigeren Komponenten reagieren.
Dennoch wurden innerhalb von drei Jahren rund 20.000 Sprick „Comfortables“ verkauft. Besonders innovativ waren die futuristischen Schlauchlos-Reifen von Continental auf der Kunststoff-Felge ohne Speichenlöcher. Allerdings konnte dieser bei einer Panne unterwegs nicht mit Flickzeug selbst repariert werden, sondern musste in eine Reifenwerkstatt gebracht werden. Innovativ war auch der Kunststofflenker mit integriertem Lenkerrohr aus einem Stück, der an das Cockpit des Roten Barons erinnert. Ohne spitze Bremshebel, die sich bei einem Sturz in den Bauch bohren könnten, war er ergonomisch und sicherheitstechnisch optimal.
Sprick Comfortable „im Test“
Der kanadische Ingenieur Christopher Morris berichtete auf der Fahrradgeschichte-Konferenz ICHC 2016 von einem Eigenversuch, indem er abwechselnd mit dem „Itera“, dem Sprick „Comfortable“ und seinem 20 Zoll Moulton-Minifahrrad zur Arbeit fuhr und dort auch die 7-Prozent-Steigung der Straße bewältigte. Im Schnitt brauchte er mit dem „Itera“ (3-Gang) 34,5 Minuten, mit dem „Moulton“ (2-Gang) 33 Minuten und dem „Comfortable“ (3-Gang) 31 Minuten – an der Effektivität des Sprick konnte es also nicht liegen, dass es keinen langfristigen Erfolg hatte. In einem 1978er Interview bemerkte Klose zu seinem sogenannten Spannrahmen: „Er federt und macht das Fahren komfortabler. Deshalb heißt das Rad ja auch „Comfortable“. Diese Rahmenform hat sich dann zwar nicht beim Fahrrad, wohl aber bei Kinderwagen durchgesetzt.“
Auch der Marktstart des Kettler-Aluminiumfahrrads musste 1978 wegen des ablehnenden Fahrradhandels in ähnlicher Weise über die Kaufhof-Kaufhauskette erfolgen. Allerdings orderten die Fahrradhändler schließlich doch bei Kettler, weil die Kunden dann vermehrt nach einem Alurad fragten und die Neuheit, ausser dem geschweissten Aluminiumrahmen, noch recht konventionell war. Dass Kettler dann dem Händlerwunsch nach Rennoptik folgte und unnötige Aluminiummuffen entwickelte, gehört zu den Treppenwitzen der Zweiradbranche.