Die Idee von lifeCYCLE ist ja nicht nur, das Radfahren an sich zu praktizieren und einen nachhaltigen Lebensstil zu predigen. Wir lieben das Radfahren und wir finden, dass es das perfekte Fortbewegungsmittel ist. Es ist ein hocheffizientes Zero-Emission-Fahrzeug und es wäre einfach viel zu schade, das mit unnötigen Flügen oder Autofahrten kaputt zu machen. Deshalb haben wir beschlossen, unsere Geschichten ohne letzteres zu produzieren. Wir fahren Fahrrad! Und im Notfall fahren wir Bahn. Wir fliegen nicht mal eben schnell nach Pisa, um dann mit dem Mietwagen weiter nach Gaiole zu fahren, am nächsten Tag eine kleine Radtour zu fahren, und dann am Folgetag den Rückreisewahnsinn anzutreten. Nur, funktioniert so etwas wie die L’Eroica dann überhaupt noch?
„Wir fliegen nicht mal eben schnell nach Pisa, um dann mit dem Mietwagen weiter nach Gaiole zu fahren, am nächsten Tag eine kleine Radtour zu fahren, und dann am Folgetag den Rückreisewahnsinn anzutreten.“
Martin Donat
Der Plan
Klar ist: per Flugzeug und Mietauto geht es definitiv schneller. Aber muss es das? Diese Variante bringt mindestens zwei extrem stressige Tage mit sich, die einem Tag auf dem Fahrrad entgegen stehen. Klar, wer die L’Eroica als Wochenendtrip angehen will, muss es so machen. Aber ist das nicht eigentlich viel zu Schade? Man nimmt an einem „Once in a lifetime“ Event teil, da kann man sich doch mal ein paar Tage mehr freischaufeln, oder nicht? Mal angenommen, man nimmt sich etwas mehr Zeit für An- und Abreise. Wie kann das aussehen? Unser Plan formte sich langsam zu diesem hier:
Donnerstag und Freitag: Anreise per Rad und Bahn
Samstag: entspannter L’Eroica-Tag mit Besuch des Fahrradflomarktes usw.
Sonntag: L’Eroica Tour
Montag und Dienstag: Rückreise per Rad und Bahn
„Die Nightjet Züge sind zwar total praktisch aber leider auch total alt. Erwartet also nicht zu viel. Es ist kein 4 Sterne Hotel. Funktioniert aber trotzdem.“
Martin Donat
Die Anreise per Bahn stellte sich nach kurzer Recherche als erstaunlich einfach heraus. Vom Ruhrpott ging es zunächst nach München. Von München verkehren regelmäßig Nachtzüge der Österreichischen Bahn, die sogenannten Nightjets. So kann man ganz entspannt gegen Mittag gen München starten, dort Abends in den Nightjet einsteigen und sich über Nacht nach Florenz fahren lassen. Dort kommt man morgens einigermaßen entspannt an und hat einen kompletten Tag vor sich! Ohne Stau, ohne Anstehen.
Tipps zur Anreise mit dem Nightjet
- rechtzeitig buchen! Die Züge sind erstaunlich gut genutzt. So kann es gut vorkommen, dass schon zwei Wochen vorher alle Schlafabteile ausgebucht sind. Und glaubt uns: im Sitzen macht es keinen Spaß! Außerdem gibt es das „Sparschiene“-Angebot, das natürlich auch irgendwann ausgebucht ist. Ein einfaches Liegeabteil (im 6er Abteil) bekommt man schon für 59 Euro.
- Die Ansprüche herunter schrauben. Die Nightjet Züge sind zwar total praktisch aber leider auch total alt. Erwartet also nicht zu viel. Es ist kein 4 Sterne Hotel. Funktioniert aber trotzdem.
- Fahrrad gut verpacken. Die Züge nach Österreich haben leider (noch) keinen Platz für Fahrräder. Das Zugpersonal war aber extrem entspannt, was das Verstauen des Rades anging. Wir haben die Räder unter den Sitzen verstaut und den Rest oben in der Gepäckablage. Im 4er-Schlafabteil passt es auf die oberen Liegen. Wer etwas mehr ausgeben kann/will und sich ein Einzelabteil bucht, nimmt sein Rad einfach mit uns hat seine Ruhe.
- Genug Zeit zum Umsteigen einplanen. Die Züge sind aus unerfindlichen Gründen trotz genügend Reserven unserer Erfahrung nach selten pünktlich. Wir hatten mehr als eine Stunde Luft, am Ende war es dennoch verdammt knapp. Was der Nachtruhe nicht entgegen kommt. Also besser mehr einplanen. Zur Not gibt´s noch nen leckeren Kaffee in München;)
Die Tour von Florenz nach Gaoile
Der Nachtzug kam gegen 7 Uhr morgens in Florenz an. Eine Zeit, in der die Stadt noch schläft. Kaum Autoverkehr und vor allem: keine Touristen. Die Sonne geht gerade auf und taucht die wunderschöne Altstadt in goldene Farben. Allein das rechtfertigt die etwas ungewöhnliche Anreise. Was tagsüber einem Selbstmordkommando gleicht, ist um diese Uhrzeit ein echtes Vergnügen. Die Fahrt durch Florenz ist ohne Zweifel ein erstes Highlight des langen L’Eroica Wochenendes.
Die Tour nach Gaoile, die wir ausprobiert haben, beginnt richtig steil. So steil, dass wir das alte Stahlross doch tatsächlich einmal schieben mussten. Ziel der Tour ist das Agritourismo Badia Boltibuono, das rund 5 Kilometer von Gaiole entfernt auf rund 600 Metern Höhe liegt. Die Unterkunft ist ein altes Kloster, wunderschön gelegen und perfekt geeignet, um die Toskana stilvoll zu erleben. Dummerweise ist bei der Tourplanung irgendwie die Tatsache etwas untergegangen, dass die letzten Kilometer über steile Schotterwege und ganz gegen Ende sogar enge Wanderpfade führt. Da war also nochmal Schieben angesagt. Und aus vermeintlich lockeren 50 Kilometern wurde eine mehr als 3 Stunden lange Tour. Schön aber eigentlich ein bisschen zu anstrengend.
Die L’Eroica
Mittlerweile ist die L’Eroica ja ein riesiges Event. Und schon lange besteht sie nicht mehr nur aus der klassischen 200km Runde, sondern hat für so ziemlich jeden das passende Tour-Format parat. Vom kurzen Toskana-Quickie bis zum tagesfüllenden Programm geht also alles. Wir haben uns (ohne Witz) verfahren und sind so nur die 135 km gefahren. Eigentlich geht das gar nicht, da die Touren echt gut ausgeschildert sind, ist aber trotzdem passiert. Wie auch immer: alle Touren gibts zum Download auf der Veranstalter Homepage. Unsere 135 km Tour haben wir bei Komoot archiviert.
Das Schöne an all dem ist: die L’Eroica Routen in der Toskana sind top gepflegt und komplett ausgeschildert. Und zwar nicht nur zum Event selbst. Man kann sich also jederzeit auf die Spuren der L’Eroica begeben, auch ganz ohne Event-Stress.
Die Rückfahrt nach Florenz
Zweimal dieselbe Tour ist ja langweilig. Komoot macht es super einfach, sich eine alternative Rückfahrt zu „designen“ und das am besten ohne alpine Wanderpfade, wie beim Hinweg;) Ganz hat es nicht geklappt. Eine kleine Offroad-Passage hatte auch die Rückfahrt zu bieten aber dennoch war es eine wunderschöne Route mitten durch eine wirklich tolle Landschaft. Grundsätzlich kann man ruhig einen etwas langsameren Schnitt einplanen, denn es geht ständig auf und ab, was relativ anstrengend ist.
Auf der Route ist rund 10 km vorm Ziel ein kleiner Abstecher an einen See enthalten. Dort können Naturfreunde baden, bevor es zurück in die Zivilisation geht. Wer es etwas kultivierter mag, könnte auf die Idee kommen, in Florenz eines der Zahlreichen Schwimmbäder zu besuchen. Das hat zumindest in unserem Fall leider nicht geklappt. Alle Bäder waren geschlossen. Dafür durften wir uns in den Duschen des Camping Firenze erfrischen, wenn auch leider nicht für umme. Aber die Paar Euros war es so oder so wert, denn dafür ging´s frisch geduscht in Richtung Nachtzug zurück nachhause, nicht ohne vorher noch einen entspannten Abend in Florenz verbracht zu haben.
Tipps zur Teilnahme an der L’Eroica
- Das passende Material: Voraussetzung sind „Oldtimer“, die mindestens 25 Jahre alt sind. Grob gesagt: alte Rennräder mit außen liegenden Zügen und am Unterrohr angebrachten Schalthebeln. Darüber hinaus sind dem „Klassiker-Kult“ natürlich keine Grenzen gesetzt. Wer selber (noch) kein altes Rennrad hat, kann sich vor Ort eines leihen, es gibt einige Anbieter dort. Oder man kauft sich gleich eines auf dem großen Flohmarkt samt zeitgemäßer Bekleidung;). Nicht vergessen: wichtige Ersatzteile, insbesondere Ersatzschläuche. Wir empfehlen Schlauchreifen. Wer die große Runde fährt, benötigt Licht, hier werden allerdings moderne Akkuleuchten vollends akzeptiert.
- Rahmenprogramm: es macht Sinn, mindestens den Samstag einzuplanen, u, das schöne Rahmenprogramm zu genießen. Vor allem der große Fahrradflohmarkt mit alten Rennrädern und zeitgemäßem Zubehör ist ein echtes Highlight. Außerdem bieten viele lokale Imbissstände italienische Leckereien an, die man nicht verpassen sollte.
- Anreise: wer es stressig mag, kommt mit dem Auto. Gute Nerven sind dann gefragt, denn die Parkplatzsituation vor Ort ist schon eine ziemliche Katastrophe. Camping ist auf ausgewiesenen Flächen möglich. Unsere „Slow-Travel“ Variante mit Bahn und Rad ist definitiv die entspannteste Variante!
- Wohnen: die Toskana ist touristisch recht gut erschlossen. Man findet in der näheren Umgebung recht viele, echt schöne Unterkünfte. Da das Event mit rund 7000 Teilnehmern plus Anhang aber gut besucht ist, macht es dennoch Sinn, sich rechtzeitig darum zu kümmern.
- Aktuelle Termine findest du hier.
- Mittlerweile gibt es übrigens in vielen verschiedenen Ländern L‘eroica Events und es gibt sogar eine Version für moderne Fahrräder.
- Anmeldung: hier sollte man nicht zu lange warten, denn die Startplätze sind begehrt. Am besten direkt in die offizielle Newsletter Liste eintragen, dann bekommt ihr bescheid, wenn es los geht. Oder selber merken: Am 1. Dezember öffnet die Registrierung für kombinierte Pakete (also inkl. Hotel usw.), im Januar sind einfache Meldungen möglich.
Und jetzt geht´s ab nachhause!
In unserer Ausgabe 1 findest du unsere große Fotostory zur L’Eroica 2017:
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lifeCYCLE Magazine Ausgabe #1 (digital/pdf)2,50 €
inkl. MwSt.