Kolumne

Bin ich Mountainbiker und wenn ja: warum?

„Sach mal, bist du eigentlich noch Mountainbiker?“ – eine einfache Frage, die Martin ein wenig ins Grübeln brachte. eine kleine Radtour auf seinem allerersten Mountainbike half dabei, die Antwort zu finden...

Eigentlich eine einfache Frage…

„Sach mal, bist du eigentlich noch Mountainbiker?“, wurde ich neulich gefragt. Dazu muss man wissen: Ich WAR definitiv mal Mountainbiker. Jahrzehntelang bin ich Rennen gefahren und war im Sommer fast jedes Wochenende auf einer anderen Downhillstrecke zu finden. Wenn ich kein Mountainbiker war, weiß ich es auch nicht. Die Frage wurde mir gestellt von einem, der BMXer war. Jetzt aber Skilehrer ist und den Sommer über Mountainbiker. Und als ich noch damit beschäftigt war, all diese Schubladen zu sortieren, fühlt ich mich an „damals“ erinnert. In meiner Jugend stellte ich mir schon oft die Frage: Warum brauchen wir all diese Kategorien? Raver fanden Hip Hopper doof und die wiederum hatten Stress mit den Rockern. Dirt Jumper auf 26 Zoll hassten die BMXer und wer die Ärzte hörte, konnte die Toten Hosen nicht gut finden. Ich hatte es damals schon nicht verstanden und hörte, was ich je nach Stimmung hören wollte (allerdings weder Ärzte noch Tote Hosen). Es störte mich auch nicht, wenn ich auf den Dirt Jumps BMXer traf, obwohl die so kleine Fahrräder hatten. Aber irgendwie war ich doch Mountainbiker.

Bianchi mountainbike
So in der Art sah das damals aus (okay, der Fahrer war ein bisschen jugendlicher)… Viel mehr drauf als einen Powerslide hatten wir nicht, aber es war uns egal.

Was definiert DEN Mountainbiker?

Also was war es, das mich als ein solcher definierte? Vielleicht war es die damalige Aufbruchstimmung einer neuen Fahrraddisziplin, die alles Dagewesene in Frage stellte. Plötzlich waren die Reifen dick, die Rahmen aus Aluminum und die Wege, auf denen man fuhr, waren im Wald. Wir brauchten keine Radwege, keine Straßenverkehrsordnung und keine UCI-Regeln. Dass sich der Bund Deutscher Radfahrer in „unsere“ Rennen einmischte war den meisten ein Dorn im Auge und so manche Fahrerinitiative versuchte, deren verstaubtes Regelwerk zu lockern. Eine ordentliche Portion Anarchie wehte durchs Fahrerlager unserer Rennen. Platzierungen waren das eine, vor allem aber gab es auf jedem Rennen eine fette Party. Wir waren die Fahrrad Outlaws und das war auch gut so. Das waren wir, die Mountainbiker.

Bianchi theridion
DAS war und ist auf jeden Fall ein waschechtes Mountainbike.

Also was nun, bin ich das heute immer noch? Mit Anarchie und Aufbruchstimmug hat heute kein Mountainbike Rennen mehr etwas am Hut. Heute ist die Ordnung eines Breitensports eingezogen. Man muss niemandem mehr erklären, was ein Mountainbike ist und wie so eine Strecke dafür aussieht. Eigentlich hat fast jeder auch ein Mountainbike und sogar mit „E“ ist es nichts wirklich Besonderes mehr. Wenn ich mir das überlege, bezweifle ich, dass ich noch Mountainbiker bin. Dazu kommt, dass ich heutzutage viel mehr Zeit auf meinem Gravelbike verbringe.

Bis du mountainbiker, wenn du biopace kennst?
Damals waren ovale Kettenblätter voll en vogue. Jahrzehnte später gab es das wieder. Bin ich Mountainbiker, weil ich so etwas weiß?

Kleine Zeitreise auf der Suche nach einer Antwort

Neulich stolperte ich beim Aufräumen über mein erstes Mountainbike. Es tat mir irgendwie leid, weil es seit Jahren in einem tiefen Dornröschenschlaf vor sich hingammelte. Ich hatte das Bedürfnis es zu putzen, zu ölen und wieder ein bisschen hübsch zu machen. Und als es dann so vor mir stand, dauerte es nicht lange, und ich fand mich auf einer kleinen Oldschool Fahrt wieder. Fahrrad, Baujahr 1991, 31 Jahre alt. Fahrer, Baujahr 1978, 44 Jahre alt. Alte Säcke on Tour, sozusagen. Ganz wie früher, als ich noch echter Mountainbiker war.

Oldschool mountainbiker
Es dauert nicht lange, da merkt man kaum noch, wie alt das Bike unter einem ist. Was dann zählt ist der Trail vor dir!

Die Fahrt war echt witzig! Natürlich federte nichts, ich hatte drei mal sieben Gänge, die nur manchmal auf Anhieb saßen und Bremsen, die mich immerhin zum Stehen brachten, irgendwann. Natürlich funktioniert das alte Bike nicht, wie ein top modernes mit Federung, Carbonrahmen, Scheibenbremsen und all dem Schnickschnack. Unterm Strich aber fuhr es mit mir eine schöne Tour durch den Wald. Es sorgte für das, worauf es ankommt: Eine tolle Zeit in der Natur, fernab vom Alltagsstress und mit ein bisschen körperlicher Anstrengung garniert. Als ich zu Hause ankam, fühlte es sich im Prinzip an, wie nach jeder Radtour: Ich war verschwitzt, ausgepowert, aber glücklich. Genau dieses Gefühl hatte ich damals, und genau dieses Gefühl habe ich heute immer noch. Auf meinem neuen Mountainbike, auf meinem alten Mountainbike, auf meinem Lastenrad oder auf meinem Gravelbike.

Bianchi oldschool 28 | lifecycle magazine
Wir haben Spaß: Ich, 44 – mein Bike, 31. Trotzdem!

Ist das die Antwort? Ein bisschen Anarchie von damals finde ich ohne Zweifel immer noch gut. Ein bisschen High-Tech von heute ist aber auch nicht verkehrt. Ein Anarchistischer-Old-School Mountain-, Gravel,- Cargobikenerd – das würde es auch ganz gut beschreiben. Da ist aber viel zu kompliziert. Darum einige ich mich jetzt einfach mit mir selbst darauf: Scheiß auf die ganzen Schubladen. Und auch, wenn es ein kleines bisschen langweilig ist: Ab jetzt bin ich einfach nur Radfahrer.

Obwohl ich sie nie wirklich hörte, zitiere ich hier zum Schluss mal die Ärzte: „Es ist egal was du bist, Hauptsache ist, es macht dich glücklich!”

Martin Donat
Lifecycle fahrradpost | lifecycle magazine

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2 Gedanken zu „Bin ich Mountainbiker und wenn ja: warum?“

  1. Nicht dein Ernst… DAS Bianchi war auch mein erstes MTB! Bei mir war es aber pink statt grün.
    Ebenso eine sehr geschmackvolle und zeitgemäße Kombi. Haha!

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