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Martin Donat

Buch Rezension: Thomas Dekker – „Unter Profis“

radsport, Radsportlektüre

Dem miesen Sommer sei dank, konsumiere ich also mal wieder ein Stück Radsport Literatur. Und da ich nicht viel erwarte, bin ich direkt auf Seite 1 angenehm überrascht.

Es geht direkt zur Sache. Anschaulich beschreibt Autor Thijs Zonneveld, selbst einmal aktiver Rennfahrer, das erste Mal Blutdoping. Aus Sicht von Thomas Dekker. Und fesselt mich direkt. Nicht, weil ich schon überzeugt wäre, dass die Welt eine weitere Doping Beichte bräuchte. Es ist seine lockere und anschauliche Schreibweise, die mich fesselt, unterhält, amüsiert. Nach dem Intro muss ich weiterlesen.

Dekkers Radsport Anfänge


Richtig los geht´s mit dem ersten Fahrrad eines stinknormalen Jungen in einem stinknormalen Haus in einer stinknormalen Familie. Dieser Junge führt ein stinknormales Leben. Bis zu seinem 11ten Geburtstag. Da bekommt er sein erstes Rennrad. Und ist gefesselt von diesem Sport. Der Wunsch entsteht, Profi zu werden und in den ersten Jahren ist es die reine Passion, die den jungen Thomas Dekker zu Höchstleitungen antreibt. Er trainiert, er lebt gesund, er fährt Rennen und entwickelt einen Ehrgeiz, der ihn immer besser werden lässt. Offenbar hat er Talent. Und wird richtig gut.

Alles fliegt dem Rennsport Rookie zu. Alles passiert wie von selbst. Noch ist Dekker sehr jung und schon so erfolgreich. Mir scheint, hier beginnen seine Probleme: nie musste er lernen, Grenzen einzuhalten oder sich um andere wichtige Dinge im Leben zu kümmern. Schule zum Beispiel. Die ließ er schleifen, belog seine Eltern bezüglich nicht bestandener Prüfungen und kam damit durch. Immer kam er mit allem irgendwie durch. Hauptsache er wurde schneller und besser.

Maßlos in jeder Beziehung


Plötzlich ist der Junge Profi. Und bei denen weht ein anderer Wind. Schon in anderen Büchern dieser Art habe ich gelesen, dass es offenbar im Profi Peloton jener Zeit ziemlich extrem zugeht. Nicht nur in Sachen Renntempo. Vor allem auch jenseits vom Bike. Auf Parties, in Clubs, in Bordellen. Ich frage mich schon immer, wie man mit so einem Lifestyle überhaupt irgendeine Art sportlicher Leistung vollbringen konnte. Offenbar ist es schwer, so ganz ohne Hilfsmittel. Diese Maßlosigkeit führt jedenfalls auch bei Thomas Dekker dazu, dass es keine Grenzen gibt. Wenn Doping dabei hilft, schneller zu fahren, wird es eben gemacht. Er wird schon damit durchkommen.

Natürlich lebt auch Dekkers Beichte von einem gewissen Unterhaltungswert, den die Schilderungen diverser Exzesse und Extremsituationen eben so mit sich bringen. Das ist natürlich spannender, als über einen langweiligen Sportsmann zu lesen, der nur seinen Trainingsplan befolgt. Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich davon halten soll. Warum schreibt so ein Sportler eigentlich so ein Buch? Irgendwie ist es ja schon ein wenig ironisch: erst gaukelt man den leichtgläubigen Radsportfans eine Leistung vor, die unter normalen Umständen vermutlich nie zustande gekommen wäre, um dann später reumütig ein zweites Mal Profit daraus zu schlagen, indem man alles bis ins kleinste Detail schildert und in Form einer Autobiografie denselben Fans verkauft, die danach den gefallenen Helden vielleicht immer noch feiern, weil er so schön ehrlich war.

„Dieser Typ ist eine ziemlich arme Sau“, denke ich mir, je weiter ich lese. Er säuft, ist nicht in der Lage eine Beziehung zu führen, pumpt sich mit Doping jeder Art voll und rennt ständig Zielen hinterher, die er längst nicht mehr erreichen kann. Dazu ist er ein unausstehliches Macho-Arschloch. Es muss schon Einiges passieren, bevor man sich derartig der Öffentlichkeit präsentiert. Insgeheim wünsche ich mir, dass diese Geschichte noch ein gutes Ende nimmt und lese weiter.

Absturz und Neuanfang?


Dann die positive Dopingprobe. Endlich! Nun muss doch alles gut werden? Es braucht ein paar Anläufe und ich verliere schon fast den Glauben daran, dass dieser Kerl noch zu retten ist. Ich muss weiter lesen.

In den letzten Kapiteln zeichnet sich langsam aber sicher eine gewisse Besserung ab. Dekkers Selbstreflexion wird realistischer und seine Art und Weise, Dinge anzugehen, sympathischer. Dann die tolle Idee, den Stundenweltrekord auf der Bahn zu knacken. Endlich: die Sauferei hat ein Ende. Endlich wieder richtiges Training mit einem klaren Ziel. Der Plan scheitert (um 270 Meter). Nicht so Thomas Dekker: er hat aus 10 Jahren voller Eskapaden wenigstens ein bisschen gelernt. Der Weltrekordversuch hat ihm gezeigt: er kann es noch. Und zwar auch ohne verbotene Hilfsmittel. Trotzdem ist das gleichsam eine Art Schlussstrich, ein halbwegs versöhnlicher Abgang, sozusagen.

Ende ohne Happy


Das Ende ist trotzdem nicht happy. Relativ ziellos wirkt dieser Thomas Dekker, nachdem er seinen Rücktritt vom Profisport bekannt gab. Bezeichnender Weise endet das Buch damit, dass Dekker in einem Theaterstück innerhalb eines 20 minütigen Monologes sein Leben zum Besten geben muss. Ob ihm das gelingt? Es bleibt offen. Genau so, wie die Antwort auf die Frage, ob die Welt sein Geständnis braucht. Mir scheint jedoch, dass vor allem er selbst es bitter nötig hatte, sich all dies mal von der Seele zu reden. Das immerhin ist ihm gemeinsam mit Autor Thijs Zonneveld auf äußerst kurzweilige, unterhaltsame, ehrliche und durchaus schockierende Art und Weise gelungen. 224 Seiten haben mir nur drei schmuddelige Sommerabende versüßt, denn ich konnte erst aufhören zu lesen, wenn mir die Augen zu fielen. In diesem Sinne ist „Thomas Dekker – Unter Profis“ durchaus eine Empfehlung. Und ich werde jetzt erstmal ein bisschen durch den Regen radeln. Im echten Herbst gibt’s dann neuen Lesestoff!

Thomas dekker unter profis buchrezension
Thomas Dekker – Unter Profis, erschienen im Covadonga Verlag

Thomas Dekker mit Thijs Zonneveld:
Thomas Dekker – Unter Profis

Broschur, 224 Seiten
im Format 21 cm x 13,5 cm
ISBN 978-3-95726-024-6
14,80 Euro

Im Buchhandel oder direkt beim Covadonga Verlag.

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