DaHänger: Eine spannende Radsport Geschichte
Jürgen Beneke: Vom Radcross zum Dahänger Pedalhaken Dan
Wer sich mit den Anfängen des Mountainbikesports auskennt, dem muss man einen Namen nicht erklären: Jürgen „Beni“ Beneke war einmal Deutschlands Aus-
hängeschild des Downhill-Sports. Eigentlich vom Bahnrad- und Radcrosssport kommend, entdeckte der gebürtige Freiburger Anfang der 1990er Jahre den Trendsport aus den USA für sich und brachte es bis zum Worldcup Sieger. Er bereiste die Welt, lernte seine zukünftige Frau kennen und wanderte nach Amerika aus. Als die sportlichen Erfolge weniger wurden, fand er im Baugewerbe seine neue Berufung, baute Häuser aus oder renovierte sie und machte sich damit selbständig. Dann kam die Immobilienkrise. Niemand steckte mehr Geld in sein Haus und Jürgen musste sich erneut die Frage stellen, womit er in Zukunft seine Brötchen verdienen wollte. Er begann damit, herumzubasteln und Ideen zu spinnen. Heraus kam ein cooles „Fahrradregal“, an das man nicht nur ein Fahrrad hängen, sondern es auch als stylishes Regal nutzen kann: der Dahänger Pedalhaken Dan. Per Kickstarter signalisierten potenzielle Kunden ihr Interesse und Jürgen konnte sein Projekt finanzieren.
Der Weg zur Arbeit kann so schön sein. Zumindest wenn zwei Voraussetzungen stimmen: Man wohnt nicht zu weit weg und man nimmt das Fahrrad. Gino (rechts) und Martin genießen jedenfalls die Fahrt zum DaHänger Deutschland Produzenten und nutzen sie gleich, um sich in Ruhe über alles zu unterhalten.
DaHänger: Aus den USA in den Pott
Das war 2014. Fünf Jahre später kommen DaHänger Produkte, allen voran der Dahänger Pedalhaken Dan, nach Deutschland. Und mit ihr die ausführliche Version einer Geschichte, die beweist, dass Globalisierung auch anders geht. Nämlich regional, nachhaltig und total sympathisch!
Ich sitze auf dem Fahrrad in Richtung Dortmund. Neben mir rollt Gino auf seinem Crossrad. Das allein ist schon etwas speziell, denn eigentlich verbindet Gino und mich eine ganz andere Art des Radfahrens: Vor rund zwanzig Jahren haben wir uns beim Mountainbiken kennengelernt und sind auf Downhillrennen die Berge runtergerast. Gino fährt immer noch leidenschaftlich gern Rennen und hat sein Hobby mittlerweile zum Beruf gemacht.
Mit seiner Firma Flatout Suspension ist er Spezialist für Mountainbike Fahrwerke, die er in Handarbeit auf die Wünsche seiner Kunden abstimmt. Seit fast zehn Jahren macht er das nun – und nun kommt etwas Neues hinzu. Eines Tages klingelte nämlich sein Telefon und dran war – Jürgen Beneke! Der ehemalige Downhill-Star mit einem speziellen Anliegen.
Globalisierung anders gedacht
Jürgen war auf der Suche nach einer Person, die seine Produkte nach Europa bringt. Nicht per Luftfracht oder auf dem Containerschiff, sondern ganz anders. Wie, das will ich mir heute ansehen. Denn wir sind auf dem Weg zur Firma Heydo, einem alteingesessenen Industriebetrieb für Apparatebau in der Nähe des Dortmunder Flughafens. Noch ist mir nicht ganz klar, wie das alles zusammenkommt: Zwei alte Mountainbiker, ein hippes Fahrradregal aus New York und ein Traditionsunternehmen im Dortmunder Osten?
Nachdem uns Tobias Heymann begrüßt hat, führt er uns durch die Firma, die sein Großvater in den glorreichen 1960er Jahren gegründet hat. Hier riecht es nach Industrie, nach echter, roher Arbeit. Überall liegen dicke und dünne Bleche, stehen riesige Hightechmaschinen neben ölverschmierten Arbeitern im traditionellen Schlossereibetrieb.
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DaHänger Deutschland: Made in Dortmund
Ehrliche Arbeit, „kein Scheiss“!
Heydo verarbeitet, grob gesagt, Bleche – seit nunmehr 50 Jahren. Es wird gelasert, gekantet und gestanzt. Verarbeitet werden dünne Bleche oder bis 2,5 Zentimeter dicke Stahlbrummer, ganz wie es der Kunde wünscht. Das Ergebnis sind komplexe Anlagen oder eher einfache Blechbauteile. So wie das „Sprocket“ von DaHänger. Der praktische Wandhaken wird zunächst aus Edelstahl gelasert und anschließend in seine Endform „gekantet“. Hier wirken rohe Kräfte, wovon ich mir direkt ein Bild machen kann, als Tobias extra für uns die Maschine anschmeißt. Gino kennt Tobias übers Radfahren. Doch nun verbindet sie das „Business“. So läuft das hier im Pott. Kurze Wege, langer Atem, hohe Qualität. Wer zu Heydo kommt, bekommt vielleicht nicht die günstigsten Preise, dafür aber ehrliche Arbeit und „keinen Scheiß“. Tobias führt uns zu einem Rolltor – dahinter befindet sich der Pulverbeschichtungsbetrieb seines Onkels. Ich habe keine Fragen mehr – hier gibt es alles quasi aus einer Hand!
Vom Crowdfunding zur Produktion
Doch das beantwortet noch nicht die Frage, warum Jürgen nicht einfach einen Schiffscontainer mit seinen Produkten füllt und nach Europa schippern lässt. Vermutlich liegt das an der Art und Weise, wie Jürgen Dinge angeht. Schon als Rennfahrer war er es gewohnt, sich Dinge zu erarbeiten. Ein Worldcup Sieg fliegt einem nicht zu. Außerdem war er als Leistungssportler gut beraten, einen Blick in die Zukunft zu werfen: „Mir war von vornherein klar: Wenn die Erfolge nachlassen, muss ich anders Geld verdienen. Wie bekomme ich meine Butter aufs Brot und was mache ich in den nächsten 20/30 Jahren?“ – Im späteren Gespräch per Videochat gibt mir Jürgen Einblicke in seinen Werdegang.
Vielleicht ist das ein bisschen antikapitalistisch, aber ich will einfach nur meine Rechnungen bezahlt kriegen und ein bisschen Radfahren gehen.
„2008 war die Immobilienkrise, mein Einkommen stand mal wieder infrage. Alle Amerikaner hatten förmlich einen Hass auf Immobilien, keiner hat mehr renoviert. Es war eine schwierige Zeit, auch wegen des sozialen Netzes in den USA, das kaum vorhanden ist. Also musste ich mal wieder selber zupacken. In dieser Zeit kam mir die Crowdfund Plattform Kickstarter wie gelegen. Ich fand das Prinzip klasse. Denn es lief nicht über irgendwelche Kontakte, niemand öffnete mir eine Tür, sondern der Kunde konnte entscheiden, ob das Produkt cool ist oder nicht. Und er tat es. Der Kunde war am Drücker und entschied: Der DaHänger wird in Produktion gehen.“
Entlang der Emscher – Ja, selbst Dortmund hat ein paar wirklich schöne Radwege! Was so eine Art Beweis dafür ist, dass man so gut wie überall gut radfahren kann.
Tobias Heymann (rechts) und Gino kennen sich vom Radfahren. Da lässt es sich doch viel entspannter Business machen!
Per Videokonferenz „treffen“ wir uns mit Gino und Jürgen. New York to Ruhrpott – moderne Technik hat auch ihre Vorteile.
Vielleicht ein bisschen antikapitalistisch?
Mittlerweile lebt Jürgen von seinen eigenen Produkten. Zum ursprünglichen Regal sind weitere Fahrrad-Aufhänger dazu gekommen. „Ich lebe heute komplett davon, auch wenn ich es mir ein bisschen einfacher vorgestellt habe. Bis heute liegen eine Menge Steine im Weg herum. Im letzten Jahr waren die Stahlpreise ein schweres Thema, dank unseres El Presidente. Plötzlich mussten Zulieferer ihre Preise verdoppelt.“ Jürgen hat eine total sympathische, bodenständige Art: „Vielleicht ist das ein bisschen antikapitalistisch, aber ich will einfach nur meine Rechnungen bezahlt kriegen und ein bisschen Rad fahren gehen.“
DaHänger: Der Weg nach Deutschland
Ein Bürger dieser Welt, 47 Jahre alt, immer noch im Sattel
Apropos: „Beni“ sitzt auch mit 47 Jahren noch fleißig im Sattel. „Für mich hat der Rennsport aufgehört, nicht das Radfahren. Damit aufzuhören war für mich noch nie ein Thema“. Man kann wohl sagen, dass ihn das Radfahren nachhaltig beeinflusst hat, auch wenn sich die Art und Weise geändert hat. Heute ist das Radfahren ein Hobby, Entspannung und (Fort-)Bewegung. Früher war er stets auf der Jagd nach Bestzeiten.
Und auf der Reise: „Durchs Rennenfahren bin ich viel durch die Welt gekommen. Wahrscheinlich sehe ich mich deshalb auch selbst als Bürger dieser Welt, nicht als Amerikaner oder als Deutscher. Ich finde die unterschiedlichen Kulturen total interessant, genau so denke ich aber, dass ein lokaler Markt total wichtig ist für die Zukunft. Die Globalisierung hat meiner Meinung nach einiges kaputt gemacht. Dazu gehört der Stolz über das eigene Produkt. Darüber, dass ein Produkt gut ist, eine hohe Qualität hat und ein Leben lang halten kann. Wenn man heute eine Mikrowelle kauft, die billiger ist als ein Einkauf im Supermarkt, dann sehe ich das als Problem. Es wird nur noch geschaut, wo was am billigsten gemacht werden kann. Darum ist es mir wichtig, dass wir lokal produzieren und dass die Leute, die daran arbeiten, vernünftig entlohnt werden. Als ich angefangen habe, habe ich auch mit Herstellern aus Asien zusammengearbeitet. Die waren ein bisschen günstiger. Aber überraschenderweise gar nicht so sehr. Wenn man nur auf Profit aus ist, macht das natürlich was aus. Mir war es aber wichtiger, langfristig zu denken, mich langsam weiterzuentwickeln und die Produkte wie den Dahänger Pedalhaken Dan genau so zu machen, wie ich mir das vorstelle.“
Durchs Rennenfahren bin ich viel durch die Welt gekommen. Wahrscheinlich sehe ich mich deshalb auch selbst als Bürger dieser Welt, nicht als Amerikaner oder als Deutscher. Ich finde die unterschiedlichen Kulturen total interessant, genau so denke ich aber, dass ein lokaler Markt total wichtig ist für die Zukunft.
Ob Mitarbeiter Patrik, Tobias Heymann und Chef Friedhelm Heymann oder Kunde Gino – am Ende sind alle stolz auf „ihre“ Produkte wie den Sprocket oder den Dahänger Pedalhaken Dan..
DaHänger Deutschland – ein Spiegelbild vom Original
Nun expandiert Jürgen nach Europa – und auch das macht er auf seine Weise: „Ich wollte dieses Produkt nie nach Europa verschiffen. Es sollte stattdessen wie ein Spiegelbild vor Ort produziert werden. Die Challenge war also, jemanden in Deutschland zu finden, der auch so denkt und auch so arbeitet. Es gibt nicht viele, die selbständig sind und selber ihren Arsch hochbekommen. Gino hatte ich schon länger auf dem Radar. Also rief ich ihn an und er hat ja gesagt.“ Das Ergebnis ist ein Handschlagdeal unter Downhill-Kumpels und wie das praktisch aussieht, davon konnte ich mir soeben ein Bild machen.
Tobias zeigt uns, wie das mit dem „Kanten“ funktioniert. Es sind jedenfalls große Kräfte am Werk, soviel ist klar!
Grüße in die USA – wenn auch nur per Videochat.
Wie DaHänger nach Europa kommt, zeigt, dass es auch anders geht. Das Ergebnis ist ein lokal hergestelltes Produkt, das für ehrliche Arbeit steht und für etwas, das bleibt. „Ich finde es total schön, wenn Leute vor Ort etwas herstellen, stolz darauf sein können und dafür fair bezahlt werden. Stell dir mal vor, du gehst in den Radladen und dort würden nur lokal produzierte Produkte stehen. Vermutlich wäre der Laden ziemlich leer. Das ist doch irgendwie ein Problem, oder nicht?“. Mir scheint, Jürgen hat Gino schon ein wenig angesteckt mit seiner Art und Weise, die Dinge anzugehen: „Je mehr ich mich damit beschäftige, desto intensiver denke ich über das Thema Nachhaltigkeit nach“, erzählt mir Gino. „Aktuell werden zum Beispiel immer noch viele Produkte in Folie verpackt. Das stört mich und ich überlege, wie man das zum Beispiel mit Papier hinbekommen kann. Ich wachse da gerade so rein. Es ist ein schöner Kreislauf.“
DaHänger – wie geht es weiter?
Zurzeit ist das DaHänger-Angebot hierzulande noch überschaubar. Vor allem das Ur-Regal ist noch nicht verfügbar. Gino erklärt mir, warum: „Aktuell haben wir das Sprocket und den Dan. Das sind gelaserte, gekantete Stahlprodukte, die wir hier in Dortmund gut produzieren können. Der DaHänger ist ein relativ komplexes Kunststoffteil, das im Rotationsverfahren hergestellt wird. Das kann ich nicht mal eben machen, da steckt etwas mehr dahinter.“
Gino Schlifske, Gründer und Inhaber von Flatout Suspension und nun auch „Mr. DaHänger Germany“. So schließt sich der Kreis: Früher waren er und „Beni“ Downhill-, nun sind sie Business-Buddies.
Doch das wird nicht immer so bleiben, wie Jürgen ergänzt: „Das DaHänger bekommt ein neues Design aus den Materialien Holz und Stahl – wiederverwertbare Materialien und weg von Plastik. Die Form ist relativ kompliziert, aber wir bekommen das hin. Und dann wäre es natürlich toll, wenn wir das in Deutschland auch umgesetzt bekommen.“ Gino ist sich ziemlich sicher, dass es daran nicht scheitern wird. Lachend fügt er hinzu: „Wenn du das in den USA hinbekommst, dann schaffen wir das hier auch!“ Wir dürfen also gespannt sein, was in Zukunft noch von DaHänger aus den USA nach Deutschland kommt – ganz ohne Transport!