Nachhaltige Unternehmen

Konsequente Nachhaltigkeit: Zu Besuch bei Vaude in Tettnang

Wenn es um eine nachhaltige Unternehmensführung geht, fällt meist in einem Atemzug der Name Vaude. Kaum eine Firma hat sich in den letzten Jahren derart auf dieses Thema Nachhaltigkeit spezialisiert und seine Außenwahrnehmung darauf fokussiert. Aber was bedeutet das eigentlich wirklich? Wir statteten Vaude einen Besuch ab und warfen einen Blick hinter die Saubermann-Fassade.

Zu Besuch bei Vaude: Die Firmengeschichte

Wie nachhaltig ist Vaude wirklich?

Konsequente Nachhaltigkeitsstrategie – klingt gut, aber steckt mehr dahinter, als ein geschicktes Marketing, das dem Kunden Produkte anpreisen will, die ganz im Einklang mit der Natur stehen, in der wir uns so gern aufhalten und mit denen sich vortrefflich das stärker werdende Bio-Gewissen beruhigen lässt? Erzählen kann man viel. Ich will mir das mal vor Ort anschauen. Vaude und Nachhaltigkeit – ist das wirklich so ein gutes Team? Also schnell das Rad gesattelt und auf in den Süden. „Tettnang“ lautet mein Ziel, genauer genommen Tettnang-Obereisenbach am Bodensee, wo Vaude seinen Firmensitz hat.

Firmensitz im Grünen

Als mir mein Fahrradnavi noch wenige hundert Meter bis zum Ziel prophezeit, bin ich ein wenig verunsichert. Hier ist doch nichts?! Vor mir liegt ein kleines Kaff, beinahe hätte ich es übersehen. Keine Spur von einem weltweit tätigen Outdoor-Spezialisten mit 500 Mitarbeitern. Ich rolle ins Dorf. Rechterhand entdecke ich einen Shop mit der Aufschrift „Vaude Werksverkauf“. Aha, scheinbar bin ich der Sache doch auf der Spur. 

Noch einmal über die Kreuzung, noch einmal rechts abbiegen: „Ziel erreicht“. Vor mir erblicke ich ein Gebäude, das eher nach einer modernen Jugendherberge aussieht als nach einem Global Player. Ich folge dem Weg ein Stück, rolle eine Einfahrt hinunter und plötzlich stehe ich vor dem frisch sanierten Firmensitz und der riesigen Kletterwand, die ich von Fotos kenne. Wenn Nachhaltigkeit auch bedeutet, sich unauffällig in die örtlichen Gegebenheiten einzufügen – dieser Punkt ist schonmal vorbildlich umgesetzt worden.

Woher kommt der Name Vaude?

Vaude Mitarbeiterin Stephanie empfängt mich. Und lädt mich erstmal in die oft angepriesene Bio-Kantine ein. Es gibt sie also. Ein guter Anfang. Und es schmeckt auch noch. Zu leckerer Bio-Tarte und erfrischender Bio-Limo setzen wir uns in den offenen Speisesaal, in dem man gern eine Weile sitzen bleibt. Mit Großraum Kantine hat das wenig zu tun. Zeit, ein wenig über Vaude zu erfahren. Zum Beispiel, was der Firmenname bedeutet. Der geht nämlich auf Firmengründer Albrecht von Dewitz zurück und dessen Initialen „v. D.“ – gesprochen Vaude. So einfach ist das. Albrecht von Dewitz gründete 1974 seine Firma und machte damit sein Hobby zum Beruf. Er war in jeder freien Minute am Berg unterwegs, jobbte in einem Outdoor Laden und hatte mehr als einen Rucksack voller Ideen, die danach schrien, zum Leben erweckt zu werden. Der Start einer Erfolgsgeschichte. Doch damals hatte noch niemand den Begriff der Nachhaltigkeit auf dem Schirm. 

Vaude: So kam die Nachhaltigkeit in die Geschäftsführung

Natürlich war Albrecht von Dewitz als Outdoorsportler irgendwie seiner Umwelt verbunden. Ein zaghafter Versuch, das in seine Firma zu integrieren, war die Einführung des Recycling-Netzwerkes „Ecolog“ im Jahr 1992. Es scheiterte wenig später daran, dass gar nicht genug Produkte zurückkamen, die man hätte recyclen können. So richtig Schwung in die ganze Sache kam erst mit der Übergabe der Geschäftsführung an seine Tochter Antje. Mittlerweile war Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung kein Fremdwort mehr und Antje von Drewitz war persönlich davon überzeugt, dass man nicht nur hier und da ein bisschen an die Zukunft denken müsse, sondern dass ein ganzheitliches Konzept her muss, das alle Bereiche des Unternehmens einschließt. Was das unter anderem bedeutet, kann man hier in Tettnang hautnah erleben.


Vom lager in die ganze welt

Klein und beschaulich mag es in Tettnang-Obereisenbach, dem Firmensitz von Vaude, zugehen, nicht aber im zentralen Lager: vom modernen Hightech-Hochregallager aus werden Vaude Produkte in die ganze Welt geschickt.


Kreatives geschnibbel

Hier wird gerade an neuen Taschen getüftelt. Alles, was man dafür braucht, steht in der Vaude Werkstatt zur Verfügung.


Dauerbrenner statt wegwerfprodukt

In der eigenen Werkstatt führt Vaude Reparaturen an allen Produkten selber aus. Dauerbrenner statt Wegwerfprodukt lautet hier die Devise.


Alles bio oder was?

Alles bio, oder was? Vor allem aber echt lecker und keineswegs überteuert. In der Vaude Biokantine können nicht nur Mitarbeiter speisen – sie ist offen für Jedermann. Foto: Vaude

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Vaude: Was bedeutet hier Nachhaltigkeit?

Gut – nicht nur zur Umwelt

Nachhaltigkeit bedeutet weit mehr, als eine umweltverträgliche, klimaneutrale Produktion. Hier bei Vaude kann ich sehen, dass vor allem auch ein nachhaltiger Umgang mit der wichtigsten Ressource des Unternehmens, dem einzelnen Mitarbeiter, sehr ernst genommen wird. Das beginnt mit ergonomischen Schreibtischstühlen und führt zu einem Kinderhort, besagter Biokantine, einem Sportprogramm für die Mitarbeiter, Firmen E-Bikes und flexiblen Arbeitszeiten inklusive Homeoffice-Option (Kleine Anmerkung am Rande: Dieser Artikel ist Ende 2017 entstanden!). Hier in Tettnang gipfelt es in einer riesigen Sporthalle mit regelmäßigem Kursangebot und besagter Kletterwand vor der Außenfassade des Empfangs. 

Bestimmt würde es auch ohne gehen, aber hier zeigt man sich äußerst konsequent. Auch über das Firmenareal hinaus: Um die Lebensqualität im Dorf zu fördern, wurden die Vaude Gebäude so konzipiert, dass sie sich unauffällig ins Landschaftsbild einfügen. Die Kantine ist öffentlich zugänglich und man engagierte sich im örtlichen Schwimmbad, um es vor der Schließung zu bewahren. Wenn ich mir das so anhöre, komme ich mir vor wie im Wunderland für moderne Unternehmer. Das wirkt alles so perfekt, so „heile-Welt-mäßig”. Und man muss es sich erstmal leisten können. Vaude kann es. Das Konzept scheint aufzugehen.

Schraubenfach und Kuschelcouch

Nach dem Mittags-Talk freue ich mich schon auf den Rundgang durch die Firma. Schöne, offene Räume in der Entwicklung sorgen für Wohlfühlklima. Die Meetingräume sind eher gemütliche Sitzecken, da kann man sich wohlfühlen. Doch all das ist schön und gut – wirklich beeindruckt bin ich erst eine Etage tiefer. Dort in der Werkstatt schaue ich auf eine locker 10 x 10 Meter große Freifläche umstellt von Regalen mit unzähligen Regalböden, Ordnern, Kisten und Schubfächern. Darin befinden sich tausende von Ersatzteilen und Bauanleitungen von Zelten, die bis ins Jahr 1988 zurückreichen. 


Zelt archiv

Baupläne von Zelten bis zurück ins Jahr 1988 – in diesem Regal nimmt Nachhaltigkeit Formen an, die am Ende auch jedem Kunden ganz praktischen Nutzen bieten.

Zeltlager auf Vaude-Art

Tatsächlich kann man hier also sein 30 Jahre altes Zelt einschicken und Vaude ist höchstwahrscheinlich in der Lage, es zu reparieren. Wow! Ehrlich gesagt ist das mein Höhepunkt der Besichtigung, auch wenn noch Spannendes folgt. Der kleine Maschinenpark zum Beispiel, in dem man vor Ort selber nähen, verschweißen und tüfteln kann, um zum Beispiel eigene Prototypen zu bauen. Oder das firmeneigene Testlabor, in dem gerade Zeltstoffe auf ihre Reißfestigkeit nach unterschiedlich langer Sonneneinstrahlung geprüft werden. Vorbildlich ist auch die durchaus beachtliche Fahrradgarage, in der tatsächlich jede Menge Mitarbeiter-Drahtesel parken. Apropos: Im Rahmen der Neugestaltung des Firmengeländes wurden jede Menge Parkplätze zugunsten zum Beispiel der Kletterwand gestrichen. Ein Prinzip, das nicht nur in Fahrradstädten wie Kopenhagen funktioniert, sondern auch hier dazu beiträgt, die Mitarbeiter zum Nachdenken über Auto-Alternativen anzuregen.

Wie jetzt: Produktion auch in Vietnam?

Im Neubau nebenan wird es nochmal beeindruckend. Dieses Mal ist es die pure Größe. Hier befindet sich ein hochmodernes Hochregallager, von wo aus der gesamte Vaude-Versand abgewickelt wird. Außerdem hat hier die eigene Taschenmanufaktur ihr neues Zuhause gefunden. Hier werden alle klassischen Fahrradtaschen produziert. Die Bikepacking Taschen hingegen kommen aus dem neuen Werk in Vietnam. Ein Hinweis darauf, dass auch bei Vaude betriebswirtschaftlich agiert wird. Natürlich passiert alles, was ich hier sehe, nicht aus reiner Menschenliebe, sondern auch, weil es sich am Ende auszahlt. Nachhaltig produzierte Produkte erfreuen sich eben immer größer werdender Beliebtheit.


Die neue montagehalle

Die neue Montagehalle: Alle klassischen Fahrradtaschen werden vor Ort in Tettnang produziert.


Vaude zeltplatz der nachhaltigkeit

Das hier ist der Vaude Zeltplatz. In dieser Zelt-Werkstatt kann Vaude selbst Zelte aus den 80er Jahren reparieren.


Parkhaus á la vaude

Parkhaus á la Vaude: hier stehen Mitarbeiter Fahrräder statt Autos. Natürlich wird niemand gezwungen, alle dürfen auch mit dem Auto kommen. Dennoch versucht man, es einer umweltfreundlichen Fortbewegung so angenehm wie möglich zu gestalten.

Vaude und die Nachhaltigkeit – ein Resumé

Vaude liegt hier voll im Trend, beziehungsweise prägt diesen Trend ziemlich aktiv mit. Und zufriedene Mitarbeiter sind am Ende nicht nur persönlich glücklicher, sondern eben auch produktiver. Am Ende meines Besuchs ziehe ich mein Resümee: Ganz bestimmt ist auch bei Vaude nicht alles perfekt. Hier muss auch jeder seine Leistung bringen, auch für Vaude sind in Vietnam die Produktionskosten niedriger und an den Laderampen parken wie überall stinkende Diesel-LKWs. Und man mag durchaus infrage stellen, ob man eine Kletterwand oder eine Biokantine braucht. Aber klar ist auch, dass hier nicht nur geredet wird. Übrigens kann sich auch jeder selbst ein Bild machen und sich den Vaude Nachhaltigkeitsbericht anschauen.

Man hat sich hier wirklich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben und das ist allemal besser, als einfach nichts zu tun. Was Vaude hier macht ist beachtlich und hat Vorbildcharakter. Die Umwelt wird es danken. Und wir letzten Endes auch. Und das nicht nur, weil das vermeintlich teure Zelt nach vielen Jahren im Outdoor-Einsatz immer noch bestens funktioniert.

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